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Ewig Dein

Ewig Dein

Titel: Ewig Dein
Autoren: Daniel Glattauer
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wieder einmal so gar nicht gefiel. Und was er in diesen neunzig Minuten zu ihr und vor allem über sie gesagt hatte, das musste sie erst einmal verdauen. Jedenfalls freute sie sich auf das Danach, ungestört mit sich allein daheim, mit sich und den Gedanken an eine nette Neuentdeckung, einem Mann, der sie auf einen reich verzierten, im schönsten Licht erscheinenden Thron gesetzt hat. So hoch oben war sie schon lange nicht mehr gesessen. Auf diesem Platz wollte sie wenigstens ein paar Stunden verweilen, bis der Alltag sie wieder auf den Boden zurückholte.
     
8.
    In der Badewanne fasste sie zusammen: Er baute Apotheken um, und wenn sie sich nicht umbauen ließen, dann baute er sie eben neu, zumindest zeichnete er die Entwürfe. Er war Architekt. Er war 42 Jahre alt. Er war noch nie beim Zahnarzt gewesen, das schöne Gebiss hatte er von seiner Großmutter, also nicht das Gebiss selbst, sondern die Veranlagung dazu.
    Er war, wie gesagt, 42 Jahre alt und ledig, nicht schon wieder ledig, sondern noch immer ledig, das hieß: Er war noch nie verheiratet und deshalb auch noch nie geschieden. Er war für niemanden sorgepflichtig, das bedeutete, er hatte keine Kinder, auch keine Kleinkinder und auch keine Babys, und das noch dazu aus keiner einzigen Ehe. »Für wen sind dann diese Unmengen von Bananen? Isst du die alle selbst?«, hatte sie ihn gefragt. Da war er kurz zusammengezuckt. Hatte sie ihn beleidigt, war sie zu indiskret gewesen, hatte er einen Bananentick? – Aber dann ließ er Omas Gebiss aufblitzen und stellte die Dinge klar: Die Bananen gehörten seiner gehbehinderten Nachbarin, verwitwete Mutter dreier Kinder. Einmal in der Woche erledigte er Einkäufe für sie. Er machte das unentgeltlich, ohne Gegenleistung, einfach so, weil er selbst auch gerne Nachbarn hätte, die ihm helfen würden, wenn es ihm schlecht ging, hatte er gemeint.
    Er war, wie gesagt, 42 Jahre alt und hieß definitiv Hannes Bergtaler. »Bergtaler«, pustete Judith in den Badeschaum. Was war von einem ledigen Apotheken-Umbauer im drittbesten Alter zu halten, der seine Höhen und Tiefen bereits im Namen trug? Roch das nicht förmlich nach einer ausgeglichenen Persönlichkeit? Wirkte er deshalb auf den ersten Blick ein wenig langweilig? War er denn langweilig? War ihr denn langweilig mit ihm gewesen? – Keine Sekunde, dachte sie. Das sprach für die Qualität der Sekunden, die sie soeben mit ihm verbracht hatte, und zweifelsfrei auch für ihn selbst, für Hannes Bergtaler, den ledigen Apotheken-Umbauer mit Omas prächtigem Gebiss im Mund.
    So, und nun der Reihe nach: Als er ihr auf die Ferse gestiegen war und ihr Gesicht gesehen hatte, hatte es offenbar zwei Stiche gegeben, einen spürte sie in ihrer Ferse, der zweite ging ihm angeblich durch Mark und Bein. »Ich habe dich gesehen, Judith, und ich war wie von den Socken«, hat er gesagt. »Wie von den Socken« war zwar jetzt nicht gerade ihre Lieblingsmetapher, denn Socken haftete stets etwas Anrüchiges und Unerotisches an, aber so, wie er sie dazu anblinzelte, mit diesen vielen Sonnenstrahlenfältchen unter einer matten 60-Watt-Glühbirne im Café Rainer, das war schon nett, irgendwie, ja, sehr nett sogar.
    »Und dann habe ich dich einfach nicht mehr vergessen können«, konnte sie sich erinnern, hat er gesagt. »Einfach nicht mehr vergessen können« war – ja, doch, ein Kompliment, ein nettes Kompliment. Judith ließ noch etwas heißes Wasser in die Badewanne ein, denn das Kompliment war wirklich außerordentlich nett.
    Was sie denn auf Anhieb so unvergesslich für ihn gemacht hatte? »Dieses Bild, als du dich zu mir gedreht hast, dieser Drei-Sekunden-Film, die Bewegung der Schulter, deine angehobenen Augenbrauen, der gesamte Ausdruck im Gesicht«, hat er gesagt, »verzeih mir dieses banale Wort, aber ich fand dich einfach umwerfend.« Banal war es wirklich, das Wort, aber sie hatte schon schlimmere Beschreibungen von sich gehört als »umwerfend«, dachte sie. Vielleicht sollte sie sich öfter auf die Ferse steigen lassen.
    Und dann hatte er einen Film nach dem anderen mit ihr erlebt. Regisseur: der pure Zufall. Produzentin: die höhere Bestimmung. Sie, an die er unentwegt gedacht hatte, sperrte plötzlich vor seinen Augen das benachbarte Lampengeschäft auf, vor dessen Auslage er schon so oft gestanden war. Sie, von der er seinen Kolleginnen gerade erst vorgeschwärmt hatte, stand plötzlich an der Bar im gleichen Lokal und wimmelte einen ihrer sicher zahlreichen Verehrer ab. Diese
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