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Esswood House

Esswood House

Titel: Esswood House
Autoren: Peter Straub
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seine Manschette mit Bier.
    »Entschuldigen Sie«, sagte das Mädchen und lächelte über Standishs ruckartige Bewegung. Sie war eine hübsche Blondine um die Zwanzig mit großen, leeren und fast transparenten blauen Augen. Sie trug einen roten Wollpullover und darüber eine fleckige, gebauschte weiße Schürze, die Standish aus einem unerfindlichen Grund an die Uniform einer Krankenschwester erinnerte. Er bemerkte, daß sie hochschwanger war, bevor er sah, daß sie ein Tablett mit einem großen Stück Käse und einen halben Laib Baguette trug. »Ihr Essen.«
    »Tut mir leid, aber das habe ich nicht bestellt«, sagte Standish.
    »Natürlich haben Sie das bestellt«, sagte die junge Frau, deren Heiterkeit schlagartig verschwand. »Verdammt, Sie sind der einzige Gast, wie sollte mir denn bei einer einzigen Bestellung ein Fehler unterlaufen?«
    »Warten Sie. Das ist Käse und -«
    »Das ist das Bauernfrühstück. Mit Pickles und Chutney.« Sie hielt es ihm hin, so daß er die beiden Soßenkleckse, braun und gelb, neben dem Käsekeil sehen konnte.
    Sie stellte den Teller grob auf den Tisch und knallte Messer und Gabel daneben. »Würden Sie nicht sagen, daß das richtig ist? Was würden Sie denn sonst sagen?« Sie sah ihn mit an die Hüften gestemmten Händen an. »Er kam in die Küche und sagte: ›Bauernfrühstück mit Pickles und Chutney‹, und ich sagte: ›Er will beides, ja?‹, weil ich aus dem Fenster gesehen und beobachtet hab, wie Sie zum Pub gingen, und an Ihrer Kleidung und Haltung hab ich gleich gesehen, daß Sie ein Ami sind, aber nur, weil Sie ein Ami sind, müssen Sie mich nicht für dumm halten, nur weil ich in Huckstall wohne und in einem Pub arbeite. Ich habe eine viel bessere Bildung als ihre dummen und unwissenden amerikanischen Durchschnittsmädchen, ich hatte zweimal gut und zweimal sehr gut und meinem Mann gehört dieses Pub, sie müßten mal ihre neidischen Gesichter sehen, wenn wir nach Hause gehen, Sie müßten sehen -«
    Etwa in der Mitte dieser erstaunlichen Standpauke begriff Standish plötzlich, was der starre Gesichtsausdruck des Schankwirts zu bedeuten hatte: Nicht das, bitte nicht schon wieder. Das Mädchen atmete schwer und hielt eine Hand auf die Brust.
    »Es reicht«, sagte der Schankwirt.
    Das Mädchen sah auf Standish hinab, wandte sich ab, ging hastig zwischen den leeren Tischen hindurch und wrang dabei ihre Schürze. Bei der Tür angekommen, ließ sie die Schürze fallen und zwängte sich nach draußen.
    Standish sah verblüfft zu dem Schankwirt auf, der ein oder zwei Schritte hinter ihm stand. Er wischte sich die Hände an einem weißen Handtuch ab. Standish wußte nicht, was er im Gesicht des Mannes erwartete, Verlegenheit, Bitte um Nachsicht, Resignation, vielleicht sogar Verzweiflung, aber auf keinen Fall diese steinerne Starre, die sich seinem Blick darbot.
    »Sperrstunde, Sir«, sagte der Schankwirt.
    »Was?«
    »Sie müssen gehen.«
    »Aber ich habe noch keinen Bissen -«
    »Sie bekommen Ihr Geld zurück, Sir.« Er zog ein Bündel zerknitterter Banknoten aus der Tasche, fand vier einzelne Pfundscheine und legte sie auf den Tisch, wo sie unverzüglich in einer Lache verschütteten Biers erschlafften.
    »Oh, bitte«, sagte Standish. »Ich könnte hier warten, wenn Sie rausgehen und sie zurückholen wollen. Ehrlich, ich verstehe das - meine Frau ist auch schwanger, sie redete eine Menge dummes Zeug, bevor ich aufbrach -«
    »Zeit«, sagte der Mann und legte Standish eine Hand, so schwer wie ein Zementsack, auf die Schulter. »Nehmen Sie den Käse. Ich schließe jetzt, Sir.«
    Standish schüttete hastig einen Schluck des gräßlichen Biers in sich hinein. Er stand auf. Die Hand des Schankwirts rutschte an Standishs Arm hinab bis zum Ellbogen. »Jetzt gleich, Sir, bitte.«
    »Sie müssen mich nicht hinausschubsen!« Standish schnappte sich den Käsekeil, während der Schankwirt ihn in Richtung Tür schob. Das Gesicht des Mannes war konzentriert, aber ausdruckslos, als würde er ein schweres Möbelstück über den Boden schieben.
    Er ließ Standish die Tür des Pubs selbst öffnen.
    Draußen in der hellgrauen Luft betrachtete Standish den menschenleeren Marktplatz mit seinen flatternden Fähnchen. Das schwangere Mädchen war verschwunden. Standish hörte das Klirren schwerer Riegel hinter sich.
    »Großer Gott«, sagte er. Er betrachtete das Käsestück, das wie ein Stück Kuchen geschnitten war. Irgendwo erklang ein durchdringender ferner Donner, dem Lärm einer verborgenen
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