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Es grünt so grün

Es grünt so grün

Titel: Es grünt so grün
Autoren: Ward Moore
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sanft geschwungenen Flüsse, die drohenden Felsen sind alle mit einem grasgrünen Rasen bedeckt. England ist dahin und mit ihm die Welt.
    Die wenigen weitsichtigen Menschen, die Schiffe genommen haben, diejenigen, die vielleicht in arktischen Einöden oder auf den Gipfeln der Anden oder des Himalaja Zuflucht gefunden hatten sowie die Besatzung der Sisyphos und ihrer Begleitschiffe sind die einzigen, die aus der Menschheit überlebt haben. Ein schrecklicher Gedanke.
    Später: Wenn ich das noch einmal lese, scheint es mir fast so, als sei ich meiner grundlegenden Philosophie untreu geworden. Die Welt ist dahin, verschwunden; aber vielleicht ist das letztlich das beste. In wenigen Tagen werden wir mit einer ausgewählten Gruppe neu beginnen, dort ansetzen, wo wir aufgehört haben – denn wir haben Bü cher, Werkzeuge und gebildete und intelligente Menschen –, um in dem Augenblick, in dem das Gras sich zurückzieht, eine bessere Welt ins Leben zu rufen. Dieser Gedanke richtet mich auf.
    Unten arbeiten Miss Francis und ihre Kollegen an der Lösung. Nach dem letzten Experiment kann es am Ausgang keinen Zweifel geben.
    Noch vor einer Stunde hätte ich geschrieben, daß es bedauerlich sei, daß dieses Ergebnis nicht vor dem jüngsten Sieg des Grases erzielt werden konnte. Jetzt beginne ich zu glauben, daß es eine glückliche Verzögerung war.
    4. November: Welche Bedeutung haben Daten jetzt noch? Wir werden einen neuen Kalender schreiben müssen – Vor dem Gras und Nach dem Gras.
    5. November: Von einem unbegreiflichen, krankhaften Impuls getrieben, habe ich vor der Einschiffung eine rostfreie Stahltruhe mit Schwimmern daran anfertigen lassen, um das Manuskript und das Tagebuch hineinzugeben, sollte das Unmögliche eintreten.
    8. November: Noch ein Test. Beinahe völlig erfolgreich. F. sicher, der nächste wird es endgültig sein. Meine Gefühle sind erschöpft.
    9. November: Ich habe meine Geschichte des Grases bis zum Beginn dieses Tagebuchs vollendet.
    Später: Wir sind außer Sichtweite des Lands. Nur Meer und Himmel, nirgendwo Grün. Am Vorabend der Befreiung fahren mir alle möglichen absurden und unbedeutenden Gedanken durch den Kopf. Die merkwürdige Frau … Joes Sinfonie, von seiner Mutter verbrannt. Was nur mit William Rufus Le ffaçasé geschehen sein mag, nachdem er aus reinem Aberglauben seinem Beruf entsagt hat? Und Mrs. Dinkman? Aus irgendeinem quälenden Grund läßt mich der Gedanke an Mrs. Dinkman nicht los.
    Noch später: Ich habe hier in dumpfer Lethargie gesessen, zweifellos eine Folge der Überanstrengung, im Licht dessen, was in wenigen Stunden geschehen ist, wohl verständlich; meine Augen verfolgen die Fugen der Deckplanken, ich überdenke alles, was ich in meinem Buch geschrieben habe und bereite mich auf den glorreichen, triumphalen Abschluß vor. Aber ich werde von Trugbildern bedrängt. Vor einer Sekunde war es noch die Gestalt von Mrs. Dinkman, und jetzt …
    Und jetzt ist es, bei all dem Grauen, das über die Menschheit gekommen ist, ein schwankender, kriechender, unersättlicher Ableger des Grases.
    Noch einmal: Ich habe keinen Versuch gemacht, den grünen Ableger abzuquetschen. Er muß jetzt knapp zehn Zentimeter lang sein, und das grüne Ende schwankt im Wind, sucht nach einer geeigneten Stelle, wo es Halt finden kann. Ich habe ihn mit meiner Hand berührt, aber ich konnte es nicht über mich bringen, ihm Schaden zuzufügen.
    Mir gelang es, die Augen von der Pflanze zu lösen und nach unten zu Miss Francis zu gehen. Lange Zeit stand ich draußen vor der Kabine und hörte dem Lärmen und Lachen zu, das mit einem triumphalen Ton gepaart war, den ich bisher noch nie gehört hatte und der von unzweifelhaftem Erfolg kündete. Darüber kann es keine Frage geben.
    Darüber kann es keine Frage geben.
    Der Ableger hat sich in eine zweite Fuge gepreßt.
    Die Halme sind sehr grün. Sie haben sich zur Sonne hin geöffnet und saugen Kraft an für die neuen Schößlinge. Ich habe mein Manuskript in den Sarg mit den Schwimmern gelegt und lasse ihn für das Tagebuch offen, falls es notwendig sein sollte. Aber natürlich ist eine solche Möglichkeit absurd.
    Völlig absurd.
    Das Gras hat eine weitere Fuge im Deck gefunden.

Nachwort
     
    Ward Moore, der Autor dieses Buches, wurde 1903 in Madison/New Jersey geboren und verbrachte einen Teil seiner Kindheit nach dem Umzug seiner Eltern in Montreal. Schon früh fühlte er sich zur Literatur hingezogen und versuchte sich an eigenen Gedichten. Mit Erfolg,
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