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Engelsstimme

Engelsstimme

Titel: Engelsstimme
Autoren: Arnaldur Indridason
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nicht, das war vor meiner Zeit.«
    »War er schon hier, als du Hotelmanager wurdest?«
    »Ja.«
    »Willst du mir damit sagen, dass er in diesem Kabuff mehr als zwanzig Jahre gelebt hat?«
    »Ja.«
    Elínborg betrachtete das Kondom.
    »Auf jeden Fall hat er sich an Safersex gehalten«, erklärte sie.
    »Nicht safe genug«, meinte Sigurður Óli.
    In diesem Augenblick erschien der Amtsarzt im Gefolge eines Hotelangestellten, der sofort wieder Richtung Treppe verschwand. Der Arzt war ziemlich korpulent, konnte es aber keinesfalls mit dem Hotelmanager aufnehmen. Als er sich in das Zimmer zwängte, wurde es Elínborg zu eng und sie schlüpfte rasch hinaus.
    »Hallo Erlendur«, sagte der Amtsarzt.
    »Na, was meinst du dazu?«, fragte Erlendur.
    »Herzstillstand? Aber ich muss mir das noch näher anschauen«, erklärte der Amtsarzt, der für seinen merkwürdigen Humor bekannt war.
    Erlendur schaute Elínborg und Sigurður Óli an, die breit grinsten.
    »Hast du eine Ahnung, wann das passiert sein könnte?«, fragte Erlendur.
    »Lange kann es nicht her sein. Irgendwann in den letzten zwei Stunden. Er ist noch warm. Was ist mit den Rentieren, habt ihr die auch gefunden?«
    Erlendur stöhnte.
    Der Amtsarzt nahm die eine Hand von der Leiche.
    »Ich stelle euch den Wisch aus«, sagte der Arzt. »Ihr schickt ihn dann ins Leichenschauhaus, und die öffnen ihn da. Ich habe gehört, dass ein Orgasmus Ähnlichkeit mit dem Sterben haben soll«, fügte er hinzu und schaute auf die Leiche herunter. »Er hat’s also doppelt bekommen.«
    »Doppelt bekommen?« Erlendur begriff ihn nicht.
    »Einen doppelten Orgasmus«, sagte der Arzt. »Ihr fotografiert das alles, nicht wahr?«
    »Natürlich«, sagte Erlendur.
    »Die Fotos werden sich prima in seinem Familienalbum machen.«
    »Ich habe nicht den Eindruck, dass er Familie hat«, entgegnete Erlendur und blickte sich um. »Bist du dann einstweilen fertig?«, fragte er, langsam hatte er genug von dieser Art von Humor.
    Der Amtsarzt nickte, zwängte sich wieder auf den Gang und verschwand.
    »Müssen wir nicht das Hotel schließen?«, fragte Elínborg und sah, wie der Hotelmanager nach Luft schnappte. »Damit hier niemand raus-oder reinkommen kann. Alle Gäste verhören und alle Angestellten? Den Flugplatz dichtmachen. Den internationalen Schiffsverkehr …«
    »Um Himmels willen«, stöhnte der Hotelmanager, knüllte sein Taschentuch zusammen und schaute beschwörend auf Erlendur. »Das ist doch bloß ein Portier!«
    Maria und Josef hätten hier nie eine Herberge bekommen, dachte Erlendur.
    »Diese … diese ekelhafte Angelegenheit hat nichts mit meinen Gästen zu tun«, rief der Hotelmanager und bekam vor Empörung kaum Luft. »Das sind zum größten Teil ausländische Touristen oder Isländer aus anderen Landesteilen, vermögende Leute, die Reedereien und dergleichen besitzen. Keiner von denen hat irgendwas mit diesem Portier zu tun. Keiner! Dies ist das zweitgrößte Hotel in Reykjavík, und über die Feiertage ist es voll bis unters Dach. Ihr könnt mir hier nicht dichtmachen! Das könnt ihr einfach nicht machen!«
    »Wir könnten schon, aber wir werden es nicht tun«, sagte Erlendur beschwichtigend. »Wir müssen vielleicht den einen oder anderen Hotelgast vernehmen, und den größten Teil des Personals, denke ich.«
    »Gott sei Dank«, stöhnte der Hotelmanager und schien sich wieder zu beruhigen.
    »Wie hieß der Mann?«
    »Guðlaugur«, sagte der Hotelmanager. »Ich glaube, er ist so um die fünfzig. Und du hast wohl Recht, was seine Familie angeht. Ich glaube, er hat keine.«
    »Wer hat ihn hier besucht?«
    »Ich habe keine Ahnung«, schnaufte der Hotelmanager.
    »Ist hier im Hotel vielleicht irgendetwas Ungewöhnliches vorgefallen, was mit diesem Mann in Verbindung stand?« »Nein.«
    »Diebstahl?«
    »Nein, hier ist gar nichts vorgefallen.«
    »Beschwerden?«
    »Nein.«
    »Er war nicht in irgendwas verwickelt, was das hier erklären könnte?«
    »Nicht, dass ich wüsste.«
    »Gibt es jemanden im Hotel, mit dem er nicht gut auskam?«
    »Mir ist nichts dergleichen bekannt.«
    »Vielleicht außerhalb des Hotels?«
    »Ich weiß von nichts, aber ich kenne ihn auch nicht besonders gut. Kannte …«, korrigierte sich der Hotelmanager.
    »Nicht einmal nach zwanzig Jahren?«
    »Nein, eigentlich nicht. Er hatte nicht viel für andere Menschen übrig, glaube ich. Er lebte ziemlich für sich.«
    »Glaubst du, dass ein Hotel der richtige Ort für solche Menschen ist?«
    »Ich? Ich weiß ni… Er
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