Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Emma will’s wissen

Emma will’s wissen

Titel: Emma will’s wissen
Autoren: Maja von Vogel
Vom Netzwerk:
»Das weiß ich auch nicht. Eben war sie noch da. Vielleicht ist sie im Garten spielen. Sie klettert so gern auf den Apfelbaum. Sogar in ihrem Sonntagskleid, obwohl sie das eigentlich nicht darf.«
    Die Frau warf einen schnellen Blick aus dem Fenster. Ich wusste, was sie sah. Besser gesagt, was sie nicht sah. Es gab keinen einzigen Apfelbaum weit und breit. Sie entspannte sich wieder.
    »So, so. Das ist aber ziemlich ungezogen von Pummelchen, was?« Das Lächeln kehrte auf ihr Gesicht zurück. Aber jetzt fiel mir auf, dass nur ihr Mund lächelte. Ihre Augen blieben kühl und wachsam.
    Herr Marten ging zum Fenster. »Pummelchen ist ein liebes Mädchen. Nur manchmal etwas wild. Hilda hat Angst, dass sie irgendwann vom Apfelbaum fällt. Aber Pummelchen passt schon auf. Sie kann sehr gut klettern. Viel besser als die Jungs aus der Nachbarschaft.« Er klang stolz.
    In diesem Moment passierte es. Kaum hatte Herr Marten ihr den Rücken zugedreht, öffnete die Frau leise die Glastür der Anrichte und schnappte sich mit sicherem Griff die Kaffeedose. Sie machte das nicht zum ersten Mal, das sah man sofort.
    Monas Hand krallte sich in meinen Arm. Wir starrten beide mit weit aufgerissenen Augen durch den Türschlitz und sahen zu, wie die Frau den Deckel von der Kaffeedose nahm und hineingriff. Ich konnte es einfach nicht glauben. Wie konnte jemand einen verwirrten alten Mann beklauen? Das fand ich so gemein, dass ich vor lauter Wut am ganzen Körper zu zittern begann.
    Die Münzen klimperten. Dann zog die Frau einen Schein heraus. Es war ein Zehneuroschein. Er war ganz zerknittert. Monas Hand krallte sich noch fester in meinen Arm. Kein Wunder, der Schein gehörte schließlich ihr. Sie hatte ihn aus ihrer Sparbüchse genommen und in Herrn Martens Kaffeedose gesteckt. Das gehörte zu unserem Plan. Ich hatte mein ganzes Taschengeld für diesen Monat schon für Süßigkeiten ausgegeben, darum konnte ich leider nichts beisteuern. »Na ja, besser als nichts«, murmelte die Frau.
    Mona ließ meinen Arm los und gab mir einen Schubs. Ich stolperte aus der Speisekammer und Mona folgte mir. Die Frau wollte den Geldschein gerade in ihre Hosentasche stecken. Sie hielt mitten in der Bewegung inne und starrte uns an. Mona und ich starrten zurück. Herr Marten starrte immer noch aus dem Fenster. Einen Moment waren wir alle wie erstarrt.
    Ich wollte etwas sagen, irgendeinen coolen Spruch, so wie die Kommissare im Fernsehen, wenn sie einen Verbrecher überführt haben. Aber mir fiel nichts ein. Ich öffnete den Mund und schloss ihn wieder, wie ein Goldfisch.
    »Was macht ihr denn hier?«, wollte die Frau wissen.
    Ich schluckte. Aus meinem Mund kam kein einziges Wort.
    Zum Glück war Mona auf Zack. »Dasselbe könnten wir Sie fragen«, gab sie zurück. Ihre Stimme zitterte ein bisschen, aber sie sah die Frau fest an. »Legen Sie das Geld zurück. Es gehört Ihnen nicht.«
    »Natürlich gehört es mir«, behauptete die Frau. »Das Geld ist für das Mittagessen, das ich Herrn Marten gerade gebracht habe. Er hatte noch nicht bezahlt.«
    »Quatsch!«, rief ich. »Sie lügen!«
    Mona streckte die Hand aus. »Geben Sie mir jetzt sofort das Geld oder ich rufe die Polizei.«
    Die Frau lachte nervös. »Das ist doch lächerlich!«
    Herr Marten drehte sich um. Er hatte die ganze Zeit aus dem Fenster geschaut, als würde er uns gar nicht hören. »Wer sind Sie?«, fragte er.
    Ich bekam einen Schreck. Erkannte er mich jetzt etwa nicht wieder? Aber er sah nicht mich an, sondern die Frau.
    »Das ist eine ganz gemeine Diebin«, sagte ich.
    »Halt die Klappe, du kleines Miststück!«, zischte die Diebin wütend.
    Herr Marten stemmte die Hände in die Hüften. »Verlassen Sie auf der Stelle mein Haus!«, sagte er streng. »Ich erlaube nicht, dass Sie in diesem Ton mit meiner Tochter sprechen.«
    Die Frau knallte den Geldschein auf den Küchentisch und murmelte: »Das ist ja das reinste Irrenhaus hier!« Dann drehte sie sich um und rannte hinaus. Mona schnappte sich die zehn Euro und steckte sie ein.
    »Halt!«, rief ich und folgte ihr. »Bleiben Sie gefälligst hier, bis wir die Polizei gerufen haben.«
    Aber sie dachte gar nicht daran. Sie riss die Haustür auf, lief eilig die Treppe hinunter und sprang in einen Lieferwagen, der vor dem Haus parkte. Der Motor heulte auf und sie raste davon.
    »Merk dir das Kennzeichen!«, schrie Mona aus der Küche. Manchmal hat sie richtig gute Ideen. Ich kniff die Augen zusammen und konnte das Nummernschild gerade noch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher