Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque
Autoren: Der Feind
Vom Netzwerk:
Letz­te, das En­de, ein
He­xen­kes­sel, hoff­nungs­los, und da saß ein Mensch drin und war doch gar kein
Mensch mehr – und jetzt lau­fen wir hier her­um, und es ist bloß ein klei­nes Tal,
da in der Dun­kel­heit, ein harm­lo­ses Hü­gel­chen ...«
    Das
Mau­so­le­um ragt weiß in die Dun­kel­heit. Die Rei­se­bus­se sind start­be­reit. Sum­mend
fah­ren sie weg mit ih­ren ge­pols­ter­ten Sitz­rei­hen.
    Wie­der
rollt die dunkle Land­schaft am Au­to vor­bei. Eh­ren­ma­le, vie­le Eh­ren­ma­le glei­ten
durch das Licht der Schein­wer­fer. Meist ist auf ih­nen von Gloi­re und Vic­toire
die Re­de. Karl schüt­telt den Kopf: »Das er­zählt nicht die gan­ze Ge­schich­te,
nein, über­haupt nicht. Aber sie ha­ben schon recht, daß sie Denk­mä­ler
auf­rich­ten, denn mehr als dort und in der gan­zen Um­ge­bung ist nir­gends ge­lit­ten
wor­den. Nur ei­nes ha­ben sie aus­ge­las­sen: Nie wie­der. Das fehlt. Du ...«
    Die
Stra­ße er­streckt sich weiß vor uns und steigt lang­sam an. Hin­ter den Wol­ken
kommt der Mond rot und trau­rig her­aus. All­mäh­lich wird er klei­ner und hel­ler,
bis er sil­bern auf den ame­ri­ka­ni­schen Fried­hof vor Ro­ma­gne scheint.
Vier­zehn­tau­send Kreu­ze schim­mern in dem fah­len Licht. Vier­zehn­tau­send Kreu­ze in
Rei­hen hin­ter­ein­an­der – die Au­gen bren­nen ei­nem, so ver­blüf­fend ge­ra­de sind
sie, ver­ti­kal, dia­go­nal. Un­ter je­dem ein Grab. Auf je­dem ei­ne In­schrift:
Her­bert C. Wil­liams, 1. Leut­nant, Che­mi­sche Kriegs­füh­rung, Connec­ti­cut, 13. Sept. 1918 – Al­bert
Pe­ter­son, 137. Inf. 35. Div. North Da­ko­ta, 28. Sept. 1918 – vier­zehn­tau­send –
fünf­und­zwan­zig­tau­send wa­ren es. Ge­tö­tet bei dem An­griff auf Mont­fau­con, ge­tö­tet
ein paar Wo­chen vor dem Frie­den. Nur ein Fried­hof für so vie­le. Über­all, an
Hun­der­ten von Or­ten, lie­gen die an­de­ren, die wei­ßen Holz­kreu­ze der Fran­zo­sen,
die schwar­zen der Deut­schen.
    Mit­ten
un­ter den vier­zehn­tau­send Kreu­zen auf dem brei­ten Haupt­weg geht, ent­fernt und
klein, ein ein­zel­ner Mann hin und her, hin und her. Das ist be­drücken­der, als
wä­re al­les still. Karl drängt wei­ter.
    In
den Städ­ten spie­len Kin­der auf den Plät­zen. Um sie her­um sind Ge­schäf­te,
Häu­ser, Kirch­hö­fe, Zei­tun­gen, Lärm, Schreie, Stra­ßen, die Welt; aber sie
spie­len wei­ter, in ih­re schlich­ten Spie­le ver­sun­ken, spie­len wie über­all auf
der Welt.
    »Kin­der«,
sagt Karl, und in der Dun­kel­heit sieht man nicht, was mit ihm los ist, »Kin­der
sind über­all gleich, nicht wahr – Kin­der wis­sen noch von nichts ...« Und wäh­rend
ich noch dar­über nach­den­ke und einen Blick auf ihn wer­fe, dreht er sich zu mir
um: »Jetzt mal los, Mann – was ste­hen wir hier rum?« und dreht den Kopf um und
schaut den gan­zen Rest der Rei­se an­ge­spannt aus dem Fens­ter.

Josefs Frau
    Es
war im
Jahr 1919, und der Ho­lun­der stand schon in Blü­te, als der Un­ter­of­fi­zier Jo­sef
Thie­de­mann heim­kehr­te. Nur sei­ne Frau war bei ihm. Sie sel­ber hat­te ihn
ab­ge­holt – nicht ein­mal den Kut­scher hat­te sie mit­ge­nom­men.
    Den
gan­zen Tag sa­ßen die bei­den schwei­gend ne­ben­ein­an­der. Die glän­zen­den brau­nen
Pfer­derücken vor ih­nen schau­kel­ten leicht hin und her. Sie ka­men in die
Dorf­stra­ße und fuh­ren sie lang­sam ent­lang. In der Abend­son­ne stan­den Leu­te vor
ih­ren Häu­sern, und ge­le­gent­lich leg­te ei­ne Frau ih­rem Mann die Hand auf den
Arm. Aber Thie­de­mann er­kann­te nie­man­den – nicht ein­mal sei­ne Frau oder sei­ne
Pfer­de.
    Er
war im Ju­li 1918 von ei­nem Gra­nat­wer­fer ver­schüt­tet wor­den, als er mit ein paar
Ka­me­ra­den in ei­nem Un­ter­stand saß. Es war nur der reins­te Zu­fall – ein Stück
der zer­bors­te­nen Holz­ver­scha­lung des Un­ter­stands, das sich quer über ihn schob
–, der ihn da­vor ret­te­te, zer­quetscht zu wer­den. Es dau­er­te ein paar Stun­den,
bis man ihn er­reich­te, und je­der glaub­te, daß er schon er­stickt sein müs­se;
aber zwei der zer­split­ter­ten Bal­ken hat­ten sich so ver­keilt, daß ein schma­ler
Spalt da­zwi­schen blieb, durch den er noch ein biß­chen Luft be­kom­men konn­te.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher