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Elsas Küche: Roman (German Edition)

Elsas Küche: Roman (German Edition)

Titel: Elsas Küche: Roman (German Edition)
Autoren: Marc Fitten
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noch im Halbschlaf. Er wirkte wie ein Kind, und sie schüttelte den Kopf. Tagsüber mochte sie ihn zwar, wie sie sich eingestand; auch im Dämmerlicht gefiel er ihr noch, doch nach Sonnenuntergang löste sich all das in Luft auf, und er war nur noch ihr Angestellter.
    Der Küchenchef ging unter die Dusche. Nach solchen Tête-à-têtes verließ er die Wohnung als Erster. Abends war er für die Bewirtung im Restaurant zuständig; er schloss auf, die übrigen Angestellten trafen ein.
    »Jemand kocht hier mit Dill«, rief sie ihm zu, als er nach ein paar Minuten wieder aus der Dusche kam.
    Der junge Mann stellte sich neben sie und schlüpfte schnell in die weiße Küchenuniform. Er holte Luft und nickte.
    »Stimmt«, sagte er. »Vielleicht legt jemand Gewürzgurken ein.«
    »Es riecht auch nach Paprika«, sagte sie. »Ich habe mir gerade eine Paprika-Dill-Sauce vorgestellt. Ist doch eine gute Idee, oder? Vielleicht könnten wir so was auf die Speisekarte setzen – als neues Logo. Mit Schweinshachse oder Kaninchen.«
    Der Küchenchef brummte. Auch seine Sinne waren hellwach, doch hielt er sich gerne für unsentimental und betonte immer, er sei, anders als sie, ausschließlich Geschäftsmann. Er wollte eine neue Wohnung und ein eigenes Restaurant, das machte er unmissverständlich klar. Bald war es so weit, sagte er sich. Er sog noch einmal die Luft ein.»Jedenfalls nehmen sie viel zu viel Dill. Aber deine Soße schmeckt sicher gut mit Schweinelende«, sagte er. »Vielleicht gebratene Schweinelende?«
    »Ah, gute Idee«, sagte sie. »Schweinelende mit Paprika-Dill-Soße. Mariniert in Weißwein.«
    Er schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht. »Schweinelende in Salzlake. Und als Beilage könnten wir Kartoffelklöße servieren. Die sind billig, und alle mögen sie.«
    Sie lächelte. Das war es! Sie sah einen kurzen Schimmer jener Zufriedenheit, die sich von selbst ergab. Vielleicht sollte sie mehr kochen. Sie arbeitete gern in der Küche. Sie sah im Geiste die in Weißwein marinierte Schweinelende mit Paprika-Dill-Soße und saftigen Klößen, dazu trockenen Weißwein. Sie stellte sich vor, wie das Gericht serviert werden würde: mit Gurkensalat, und das Fleisch vielleicht mit Petersilie garniert. Spektakulär würde das aussehen, angerichtet auf den großen Tellern, die sie für Wildhühner nahmen, mit darübergeträufelter Soße als Krönung.
    Wie immer kamen ihr eine ganze Reihe Zutaten in den Sinn: frischer Dill, blaue Zwiebeln, zerdrückter Knoblauch, Paprika und Schweinelende, von der alles Fett entfernt und zur Geschmacksintensivierung in Würfel geschnitten für später beiseitegelegt wurde. Das klang gut. Sie dachte an den Restaurant-Stern. Und an die Kritik.
    Der Küchenchef küsste sie auf die Stirn und eilte davon.
    »Du hast Köpfchen, das gefällt mir«, sagte er. »Bleib hier und denk weiter nach; ich muss ins Restaurant.«
    Und schon war er fort, und Elsa saß wieder allein auf dem Balkon. Sie blickte auf das traurige Hotel direkt gegenüber. Die Stadtverschönerungen waren irgendwie an ihm vorübergegangen. Die Österreicher, denen es gehörte, hatten erst kürzlich damit begonnen, die durchhängendenMarkisen zu ersetzen. Sie sah, dass sie jetzt Klimaanlagen einzubauen versuchten. Die Sanierung des Hotels kam nur langsam voran. Elsa betrachtete die Fassade und die Straße. Sie entdeckte den Küchenchef, der gerade über die Straße ging, und winkte ihm zu. Er blickte zu ihr hinauf, lächelte und warf ihr eine Kusshand zu. Dann drehte er sich um und rannte über die Straße. Er verschwand schnell zwischen zwei Straßenbahnen und steuerte auf Die Tulpe in der nächsten Straße zu, einer Parallelstraße des Boulevards hinter dem Hotel.
    Elsa stand auf und schloss die Balkontüren. Sie sperrte den Straßenlärm aus und stellte sich vor, wie der Küchenchef ihr Restaurant betrat. Die Gaststube war eingerichtet wie ein Landgasthof in alten Zeiten: mit großen Panoramafenstern und fünfunddreißig Tischen, auf denen Kerzen standen. An den Wänden hingen silberne Hohlspiegel, und um die Tische standen Stühle mit hohen Rücken- und Armlehnen. Die Stammgäste kamen aus dem Viertel – ein gut besuchter Mittagstisch und eine verlässliche Klientel am Abend. Gleich um die Ecke befand sich das Russische Konsulat, und die wieder instand gesetzte Synagoge war auch nicht weit weg. Das bescherte ihr Gäste, die wegen der Kartoffelpuffer kamen – goldbraun gebratene runde Scheiben mit einem ordentlichen Klacks Sauerrahm
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