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Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition)

Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition)

Titel: Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition)
Autoren: Bärbel Wardetzki
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Frage, um welche Ressourcen es im seelischen Bereich geht, die zur Machtausübung eingesetzt werden. Denn es sind nicht nur die materiellen, kognitiven und sozialen Verfügbarkeiten, die Macht geben, sondern auch seelische »Manöver«, die willentlich oder unwillentlich eingesetzt werden, um andere Menschen dahin zu manipulieren, wo man sie haben will. Hier soll es jetzt nicht um die Fälle gehen, wo jemand einem anderen bewusst schaden oder sich materiell an ihm bereichern will, wie im Fall von Betrügern, sondern darum, wie jemand seinen Gewinn auf der psychischen Ebene sucht.
    Im Fall narzisstischer Defizite versuchen die Menschen mit ihrer Machtausübung ihr eigenes Selbstwertgefühl zu stabilisieren und ihr narzisstisches Gleichgewicht zu erhalten. Das, was sie tun, um Macht über den anderen zu bekommen, lässt sich anhand des Konzepts des »expanded self« beschreiben. Dieser Begriff stammt von Frank Petermann und bedeutet »ausgedehntes Selbst«.
    Das »expanded self« beschreibt eine »vereinnahmende innere Haltung« der Umwelt gegenüber, bei der der andere seiner selbst beraubt wird. Das getrennte Gegenüber mit eigenen Impulsen, Gefühlen und Bedürfnissen wird nicht respektiert, sondern einverleibt und dient auf diese Weise der Erweiterung des eigenen Selbst. Das »expanded self«, die Ausdehnung des eigenen Selbst auf den anderen, ist sozusagen der Mechanismus für die eigene Selbstbezogenheit. Indem das Selbst des Narzissten sich durch den anderen erweitert, wird dieser einverleibt und zum Objekt der Eigenliebe. Das geht so weit, dass alles, was der andere sagt, so umdefiniert wird, als seien es die eigenen Gedanken. Auch die Handlungen des anderen werden durch das »expanded self« so erlebt, als seien sie eigentlich die Folge eigener Intentionen.
    Das heißt, der Narzisst bezieht alles auf sich und meint, der Urheber dafür zu sein, was er im Außen, bei dem anderen, erlebt. Auf diese Weise wird der Erfolg des Mitarbeiters zum Sieg des Vorgesetzten umdefiniert oder die gute Note des Kindes zur gelungenen Elternschaft. Aber auch umgekehrt wird dann das Versagen des anderen zum eigenen Versagen oder man selbst wird zum Urheber eines Unglücks, mit dem man im Grunde nicht wirklich etwas zu tun hat.
    Durch den Mechanismus der Selbsterweiterung zwingt der narzisstische Mensch den anderen unbewusst, seine Definition von sich selbst zu übernehmen. Der andere wird so, wie ihn der Narzisst sieht oder sehen will. Der psychodynamische Terminus für diesen Sachverhalt heißt: projektive Identifikation. Das bedeutet, dass der Narzisst Teile von sich externalisiert, nach außen verlagert, und der andere sich damit identifiziert. So können beispielsweise eigene Unzulänglichkeitsgefühle abgewehrt werden, indem sie auf den anderen projiziert werden, der sie dann für sich selbst übernimmt und sich dementsprechend inkompetent verhält.
    »Man kann sich das ›expanded self‹ wie das Schachbrett des Narzissten vorstellen, auf dem die Menschen aus seiner Umwelt Figuren darstellen, über die er verfügt. Um die anderen zum Mitspielen zu bewegen, bedarf es virtuoser Manöver sowie besonderer Bedingungen in der Struktur der anderen, damit dieses Kunststück gelingt« 18
    Narzissten werden in jedem Kontakt versuchen, ein »expanded self« mit einem anderen herzustellen, doch wirklich gelingen wird es nur bei einem sogenannten Komplementärnarzissten. Das sind diejenigen, die dazu neigen, sich von außen definieren zu lassen und es vielleicht sogar unterstützend und nährend erleben, durch die Augen eines anderen beurteilt zu werden. Sie sind auch narzisstisch, suchen den Blick des anderen und sind bereit, dafür einen hohen Preis zu zahlen, nämlich den ihrer Eigenständigkeit und Identität. Dafür bekommen sie eine Bezogenheit, die sie für Liebe und Nähe halten, spüren die Manipulation und Fremdbestimmtheit aber erst spät, manchmal sogar nie.
    Die Beziehung von Isolde und Konrad ist dafür exemplarisch. Sie nahm im Lauf der Jahre sehr destruktive Züge an, obwohl sie schon zu Beginn getrübt war. Isolde hatte ihrem Mann nie verziehen, dass er sie nicht vor den Angriffen seiner Mutter verteidigte, die ihr zu verstehen gab, dass ihr Sohn eine bessere Frau verdient hätte. Hinterher entschuldigte sich Konrad für die Äußerung seiner Mutter, doch in ihrer Gegenwart hatte er geschwiegen. Isolde hatte sich verlassen gefühlt und wünschte sich doch so sehr einen Mann, der hinter ihr steht. Das Gefühl, für ihren
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