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Eine Hexe in Nevermore

Eine Hexe in Nevermore

Titel: Eine Hexe in Nevermore
Autoren: Michele Bardsley
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Partnerin gefunden zu haben. Den größten Schmerz hatte ihm daher nicht etwa die Nacht seines Todes bereitet, sondern die Erkenntnis, dass sie ihn nie geliebt hatte. Denn sie hatte ihn sich gezielt ausgesucht und ihn geschickt manipuliert, nur damit sie ihrem Dämonenliebhaber das Herz eines Drachen präsentieren konnte.
    Wieder stieg der gallige Geschmack der Verbitterung in ihm auf. Zehn Jahre! Eigentlich sollte er mittlerweile darüber hinweg sein. Es war nicht so, dass er noch etwas für Kerren empfand, oh nein. Sollte sie ruhig zur Hölle fahren – oder besser gesagt: dortbleiben. Was sie durch ihr Ritual ausgelöst hatte, war weder ihr selbst noch ihm klar gewesen. Bis heute litt er unter Albträumen, wenn auch nicht mehr so häufig.
    Verdammt noch mal!
    Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.
    Dass er nun mit seiner Vergangenheit konfrontiert wurde, indem man ihn um Hilfe bat, kam völlig überraschend. Aber er brauchte keine Überraschungen mehr, vor allem nicht, wenn sie von einer Rackmore kamen. Jahrelang hatte er versucht zu verstehen, was mit ihm passiert war und wie er das beherrschen konnte, was aus ihm geworden war. Unterdessen hatten die Zauberer die Konsequenzen aus dem Rackmore-Fluch gezogen. Die Häuser annullierten sämtliche Mitgliedschaften von Rackmores und verweigerten Angehörigen mit Rackmore-Abstammung die Mitgliedschaft. Prozesse wurden geführt. Neue Gesetze wurden vorgeschlagen, abgelehnt, erneut vorgeschlagen. Viele Rackmores kehrten von sich aus den Häusern den Rücken, andere kämpften verbissen und mit aller Macht um ihre Positionen und ihre Rechte.
    Hunderte begingen Selbstmord.
    Lucindas Vater war einer von ihnen gewesen. Ihre Mutter Wilmette hatte weitergekämpft und sich einen wohlhabenden Liebhaber gesucht, um Sicherheit für ihre jüngste Tochter zu haben. Sie hatte Kerren öffentlich verstoßen und ging dabei so weit, dass sie mittels magischer Rituale und weltlicher Dokumente ihre Tochter aus den Stammbüchern der Rackmores tilgen ließ.
    Zwei Jahre benötigte das Höchste Gericht, um den Urteilsspruch zu fällen. Die Rackmores hatten sich mit Dämonen zusammengetan und Todesmagie angewandt, daher standen ihnen nun weder die Rechte noch die Privilegien der Häuser zu. Dabei spielte es keine Rolle, dass die lebenden Rackmores mit diesen Pakten nichts zu tun hatten und schon genug unter dem Fluch litten. Für die magischen Wesen galten andere Regeln, oft weitaus strengere als für die weltlichen. Denn Zauberer tragen eine größere Verantwortung für die Welt und müssen deshalb auch strengere Strafen auf sich nehmen, wenn sie sich des Machtmissbrauchs schuldig machen.
    Das Haus der Raben erlitt den größten Mitgliederschwund, da hier die meisten Hexen und Zauberer aus den Reihen der Rackmores versammelt waren. Die wenigen, die noch übrig blieben, fühlten sich im Stich gelassen und zurückgewiesen. Nachdem die Raben über zweitausend Jahre lang eines der mächtigsten Häuser gewesen waren, rutschten sie nun in die Bedeutungslosigkeit – und das war unentschuldbar. So wurden die Raben zu den größten Feinden der Rackmores.
    Obwohl Kerrens Plan nicht aufgegangen und er am Ende entkommen war, hatte sie ihn seither in Ruhe gelassen. Warum auch sollte sie sich weiter mit ihm abgeben? Sie hatte den Blutzoll gezahlt, der nötig war, um ihr eigenes Leben zu retten. Es hatte lange gedauert, bis seine Wunden verheilt waren, nicht nur die körperlichen, auch die seelischen. Wahrscheinlich dachten alle, der Betrug und der Mordversuch durch seine Frau hätten ihn zu sehr ausgelaugt und geschwächt, um seinen Verpflichtungen im Haus der Drachen nachzukommen.
    In der Tat war das nur ein Teil der Wahrheit. Denn es gab noch etwas, das auf ihm lastete. Er hatte nie mit jemandem darüber gesprochen, nicht einmal mit seiner Mutter – sein Tod und seine Wiederauferstehung. Dieses Geheimnis musste er allein aushalten. Doch welche Rolle spielte das schon? Er führte sein eigenes Leben, und er war zufrieden damit, auch wenn er sich manchmal vorkam, als versteckte er sich – oder, noch schlimmer, als wäre er auf der Flucht.
    Lucinda Rackmore.
    Warum hatte sie überhaupt versucht, seinen Schutz zu erbitten? Und ausgerechnet ihn zu fragen, ob er sie heiraten würde? War sie nicht ganz bei Trost? Ihm entfuhr ein barsches Lachen. Es war ihm gut gegangen. Einfach nur gut. Doch jetzt war durch sie seine Vergangenheit wieder in sein Leben geplatzt, und das gefiel ihm gar nicht.
    »Wirst du den
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