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Ein süßer Sommer

Ein süßer Sommer

Titel: Ein süßer Sommer
Autoren: Hammesfahr Petra
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Pullover rutschte auch ihr ärmelloses T-Shirt in die Höhe, darunter kam ein Streifen sonnengebräunter Haut zum Vorschein und ein ziemlich dicker, breiter, ebenfalls brauner Gürtel, den sie auf der nackten Haut trug. Candy fuhr einmal mit gespreizten Fingern durch ihr Haar, stopfte das T-Shirt zurück in den Bund der Jeans, kramte in den Jackentaschen nach einem Lippenstift, zog sich, als sie ihn endlich gefunden hatte, ohne Spiegel die Lippen nach und plapperte unerbittlich weiter. Ich hatte nur noch das Bedürfnis, mich nach nebenan zu setzen. Ein ganzer Hörsaal voller Studenten konnte nicht anstrengender sein als dieses Mädchen. Was hat sie mir nicht alles erzählt in den ersten Stunden dieser Fahrt. Selbst wenn ich gewollt hätte, ich wäre gar nicht dazu gekommen, mir eigene Gedanken zu machen. Bevor eine Frage auch nur auftauchen konnte, hatte Candy sie bereits beantwortet. Sie sprach ein ausgezeichnetes Deutsch, allerdings mit dem typischen, breiten Akzent der Amerikaner. Über den ich mich doch gewiss schon gewundert hatte, oder nicht? Aber sie war Deutsche, Ehrenwort. Und sie hatte praktisch von Anfang an Deutsch und Englisch gesprochen. Geboren war sie nämlich in den Staaten, stand jedenfalls in ihrem Pass, stimmte aber gar nicht. Sie war auf einem Schiff zur Welt gekommen, auf einem Forschungsschiff, um genau zu sein, das unter der Flagge der USA lief. Und damit sie als Geburtsort nicht irgendeinen Längen- oder Breitengrad angeben musste – wie hätte sich das denn angehört, siebzehn Grad östlicher Länge oder Breite oder so ähnlich, darunter hätte sich doch kein Mensch etwas vorstellen können –, hatte Dad ihre Geburt erst registrieren lassen, als sie wieder an Land waren. Dabei hatte er sie dann zwangsläufig ein bisschen jünger machen müssen, das merkte aber heute kein Mensch mehr, oder doch? Und ihre Mutter stammte ebenso wie Margarete und Tante 2 Gertrud aus Hamburg. Margarete war übrigens die jüngere Schwester ihrer Mutter – inzwischen auch schon Anfang sechzig und damit zwanzig Jahre älter als
    «meine Mutter». Aber wie auch immer: Margarete war dafür verantwortlich, dass die gesamte Familie, mit Ausnahme von Tante Gertrud, lange Jahre in Philadelphia gelebt hatte. Vetter Tom, seine Frau Heather und die beiden Söhne lebten immer noch dort. Die restliche Familie war vor zwei Jahren in die alte Heimat zurückgekehrt und wohnte wieder in Hamburg. Mit Ausnahme von Tante Gertrud natürlich, die war aus Augsburg nicht mehr wegzudenken, obwohl sie früher auch gerne in Heidelberg gelebt hatte. Wahrscheinlich hatte Candy wegen dieses Umzugs im letzten Sommer ihr Abitur nicht ganz mit eins gemacht wie erhofft und erwartet. Es musste am Schulwechsel gelegen haben. Das war doch eine sehr große Umstellung gewesen. Nach dem Abitur hatte sie sich um einen Studienplatz in Meeresbiologie beworben. Was sollte man auch sonst studieren, wenn man mit Wasser unter dem Kiel das Licht der Welt erblickt hatte? Gut, Ozeanographie hätte sich noch angeboten, war aber nicht ganz nach ihrem Geschmack. Sie fühlte sich den Fischen, den Walen und den Robben sehr verbunden. Und das Plankton musste ja auch geschützt werden. Im vergangenen Oktober hatte sie den gewünschten Platz nicht bekommen, auch im März war sie leer ausgegangen. Aber irgendwann musste das klappen, man musste nur hartnäckig sein und durfte die Hoffnung nicht aufgeben. Einen Teil der Wartezeit hatte sie sich mit Arbeit vertrieben, sieben Monate lang, in einem Schnellrestaurant. Eine elende Plackerei war das gewesen, regelrechte Ausbeutung, ehrlich, für einen Hungerlohn. Jeden Pfennig hatte sie eisern gespart für ihren Europatrip. Die Familie hatte noch ein wenig draufgelegt. Und wenn sie sich ihr Geld geschickt einteilte, würde es bis Spanien reichen. Aber jetzt fuhr sie erst einmal nach Köln.  Ich vermutete, dass sie sich von der Wasserqualität des Rheins an Ort und Stelle überzeugen wollte und in dem Monstrum von Rucksack vielleicht ein komplettes Labor mitschleppte.
    «Kennen Sie Köln?» Ich war nahe daran, noch einmal den Kopf zu schütteln, nickte jedoch flüchtig und in der Hoffnung, sie damit zu ein paar Fragen zu inspirieren und dann mit Einsilbigkeit zum Schweigen zu bringen. Das war eine Fehlspekulation. Fragen an mich hatte Candy nicht. Sie hatte schon ungefähr zwei Stunden lang erzählt, ab und zu nur durch die Schaffnerin unterbrochen, die nachschauen wollte, ob jemand zugestiegen war, als ihr endlich auffiel,
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