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Ein Ort wie dieser

Ein Ort wie dieser

Titel: Ein Ort wie dieser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-Aude Murail
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nicht als zurückgeblieben gelten wollte.
    »Bestellen wir ein Tchip-Kid-Menü mit Geschenk?«, wollte Toussaint wissen.
    Omchen hatte wenig Geld, aber sie war sogar damit einverstanden, zusätzlich zu den beiden Kinder-Spezialmenüs ein Erdbeer-Milky zu bestellen. Sie hatte den Eindruck, sie würde den kleinen Baoulés, die in der Warteschlange vor Vergnügen hin und her trippelten, die Türen zum Leben öffnen.
    Um nicht im Gedränge zu sitzen, suchten sie sich einen Tisch hinten im Schnellrestaurant, wo die beiden Jungen sich begeistert mit ihren Geschenken beschäftigten, die aus der Serie der Tchip-Monster stammten. Eines war eine Vogelspinne, die zugleich fliegende Untertasse war, das andere eine Schlange, die sich in einen Helikopter verwandelte, wobei die beiden Spielzeuge im Schnitt nur fünfundvierzig Sekunden Benutzung aushielten.
    »Esst jetzt, kaltes Essen ist nicht gesund«, schimpfte Omchen. »Wenn ihr nicht esst, nehme ich euch das Spielzeug weg.«
    Die kleinen Baoulés hörten nichts und ließen die beiden Ungeheuer mit verschiedenen Geräuscheffekten aufeinander losstürmen.
    »Scheiße, meins geht nicht mehr auf!«, klagte Toussaint traurig, der die Helischlange hatte.
    »Sagt nicht die ganze Zeit unanständige Wörter«, rief Omchen und gab ihm eine Ohrfeige.
    »Oh, was ist das denn?«, fragte Démor und bückte sich.
    Er hatte gerade den Packpapierumschlag auf dem Boden gesehen.
    »Lass das liegen, das ist dreckig«, sagte Omchen und verpasste ihm aus Gerechtigkeitsgründen ebenfalls eine Ohrfeige.
    Es war erstaunlich zu sehen, in welchem Maße die beiden kleinen Baoulés darauf pfiffen, was Omchen sagte oder tat.
    »Das ist ein Brief«, sagte Démor. »Was steht da drauf?«
    Er hatte sich zu der alten Frau gedreht. Wie alle Analphabeten wusste Omchen, wie sie mit derlei Fallen umging: »Ich habe meine Brille nicht dabei«, sagte sie.
    »Da steht WWW  … Wich…«, entzifferte Démor. »Wichtig…«
    »Na, dann mach auf«, befand Toussaint.
    Démor zog den Inhalt aus dem Umschlag.
    »Das sind Zeichnungen, Hauszeichnungen.«
    »Gib her.«
    Toussaint zog an dem Blatt, aber Démor wollte nicht loslassen. Er machte große Augen: »Aber das ist ja die Schule!«
    Tatsächlich zeigten die ersten Zeichnungen sehr getreu die Louis-Guilloux-Grundschule aus verschiedenen Blickwinkeln. Die beiden Jungs lachten. Aber die anderen Zeichnungen verschlugen ihnen die Sprache.
    »Das ist die Schule als Tchip Burger«, murmelte Démor.
    Die Verwandlung war entsetzlicher als die der Tchip-Monster. Toussaint starrte Omchen anklagend an: »Machen die einen Tchip Burger in unserer Schule?«
    Omchen blickte noch erstaunter drein als die beiden.
    »Aber nein … Aber ich hab doch keine Ahnung. Das sind nur Zeichnungen!«
    Aber sie erriet, dass es sich um die Arbeit eines Profis handelte.
    »Wo gehen wir hin, wenn man uns die Schule wegnimmt?«, fragte Toussaint.
    Die Schule war alles, was ihm blieb.

Kapitel 26 In dem es darum geht herauszufinden, ob eine Burg sich in einen Tchip Burger verwandeln kann
    Die Nachricht von der Festnahme der Eltern Baoulé hatte sich am Freitag, den 7 . Februar, in weniger als einer Stunde in der Stadt verbreitet. Als Nathalie zur Feststellung ihrer Personalien zur Polizei gebracht wurde, bekam sie die Erlaubnis, Eloi zu benachrichtigen, der Cécile anrief, die Monsieur Montoriol anrief, der Melanie Muller anrief, die Chantal Pommier anrief, die Marie-Claude Acremant anrief, die Madame Gervais anrief, die Doktor Moulière anrief. Omchen wurde vergessen.
    Als Démor und Toussaint am Montagmorgen mit den Trümmern ihrer Tchip-Monster in der Schule aufkreuzten, trafen sie ihre Sippe in Aufruhr.
    »Wir ziehen in den Krieg!«, erklärte ihnen Leon. »Ich kann töten!«
    Er durchstieß die Luft mit einem imaginären Küchenmesser.
    »Was ist los?«, fragte Toussaint.
    »Sie haben unsere Eltern ins Gefängnis gesteckt«, informierte ihn Honorine, die einen Großteil des Wochenendes geweint hatte, mit roten Augen.
    »In Abschiebehaft«, verbesserte Alphonse, dem Monsieur Montoriol das erklärt hatte.
    »Da werden sie umgebracht«, sagte Leon, den Kopf voll mit Bildern von Gemetzeln, die er bis dahin verdrängt hatte.
    »Halt die Klappe«, bremste ihn Alphonse. »Wir haben einen sehr starken Anwalt, um uns zu verteidigen.«
    »Was hat der für eine Waffe?«, wollte Leon wissen.
    Das Klingeln verhinderte, dass Alphonse eine befriedigendere Antwort geben konnte als: »Du bist zu

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