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Ein Mörder kehrt heim

Ein Mörder kehrt heim

Titel: Ein Mörder kehrt heim
Autoren: Christian Ditfurth
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etwas Gefährliches tun und weiß nicht, ob er dich danach noch treffen kann.«
    Â»Weil er vielleicht tot ist?«
    Â»Könnte doch sein, er plant einen Banküberfall, weil ihm die Knete ausgeht. Und will dann schnell wieder abtauchen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Dazu muss er nicht nach Berlin kommen. Banken gibt es überall. Ich glaube, er geht zum Staatsanwalt. Kronzeuge, so was.«
    Â»Es sei denn, er hat nur in Berlin Genossen gefunden, die mitmachen«, warf Matti ein.
    Â»Er war seit Jahrzehnten nicht mehr in Berlin«, sagte sie.
    Â»Vielleicht, vielleicht nicht.«
    Sie gingen schweigend ein paar Schritte.
    Â»Ist schon seltsam, du hättest am Telefon ja sagen können: Lass mich in Ruhe!«, sagte Matti.
    Â»Ja, hätte ich vielleicht tun sollen. Aber ich konnte nicht.«
    Â»Scheiß Gene«, sagte Matti.
    Sie lachte leise. »Ich verstehe es selbst nicht. Du sagst, Georg sei dein Freund gewesen?«
    Â»So würde ich das nicht nennen. Er war ein bisschen älter als ich und schon eine Weile in Berlin. Er kannte die Szene gut, und ich kam vom Dorf. Da hat es ihm gefallen, den erfahrenen Genossen raushängen zu lassen. Aber gewiss, er hat mir geholfen.«
    Â»Und die Essenseinladungen?«
    Â»Er wusste, dass ich knapp bei Kasse war. Und es gefiel ihm, sich großzügig zu zeigen. Er wollte, dass die anderen ihn im besten Licht sahen.«
    Â»Ein Angeber?«
    Â»Nicht so krass. Aber er suchte Anerkennung.«
    Â»Warum hat er mich an dich verwiesen? Du warst ja bei meiner Zeugung nicht dabei. Oder doch?« Ihr Gesicht färbte sich rosa.
    Matti lachte. »Nein, so war es nun auch nicht. Ich soll dir bestimmt nur bestätigen, dass es ihn gibt, dass es möglich ist und dass er nicht verrückt ist.«
    Â»Mein Vater, der Terrorist«, sagte sie.
    Matti tat sie leid. Bis vor ein paar Tagen waren die Dinge einfach für sie gewesen. Sie hatte schon verkraften müssen, dass ihre Mutter sie im Stich ließ. Und jetzt konnte sich herausstellen, dass sie bei fremden Leuten aufgewachsen war. »Aber du wirst ihn treffen?«
    Â»Ja«, sagte sie.
    Â»Und was dann?«
    Â»Keine Ahnung.«
    Â»Soll ich mitkommen?«
    Sie schwieg lange. Radfahrer zockelten vorbei, vorneweg ein Reiseführer, der vom Mauerweg erzählte. »Hier am Westufer verlief die Grenze«, rief er über die Schulter.
    Â»Nein, besser nicht. Ich kann auf mich selbst aufpassen … Entschuldigung, war nicht so gemeint.«
    Matti winkte ab. »Aber du rufst mich an, wenn du ihn gesehen hast, ja?«
    Sie nickte. »Klar.«
    Â»Was machst du eigentlich sonst so?«
    Â»Wie meinst du das?«
    Â»Beruf …«
    Â»Ã–ffentlichkeitsarbeit für Plattenfirmen, mal ein Artikel in Zitty oder Tip . Auch mal Radio.«
    Matti hat das Gespräch noch im Kopf, als er zwei Tage später am Hauptbahnhof auf Fahrgäste wartete. Er hatte die Nachtschicht von Aldi-Klaus übernommen, weil der genölt hatte, er sei schon so oft für Matti eingesprungen. Und nun habe er die Frau seines Lebens kennengelernt, und gerade in dieser Nacht entscheide sich alles. Da müsse Matti für ihn fahren.
    Ein Trupp besoffener Touristen in Anoraks lärmte vorbei. Matti kurbelte das Seitenfenster hoch und lehnte sich zurück. Eine merkwürdige Geschichte, dachte er. Alles war so weit weg, und jetzt holte es ihn doch ein. In Anjas Haut möchte ich nicht stecken. Eigentlich konnte Westreich ihr egal sein. Und der hätte sich besser nicht gemeldet. Was hatte sie davon, nach vierzig Jahren ihren leiblichen Vater kennenzulernen, wenn er es denn war? Matti stellte sich vor, wie Westreich irgendwo im Nahen Osten untergetaucht war und dort mehr vegetierte als lebte. Hatte er Ingeborg dort wiedergetroffen? Waren sie ein Paar? Anjas Eltern. Wenn es stimmte, dass sie in Bagdad lebte, wie hatte sie die Kriege überstanden? Wie die Sanktionen des Westens gegen Saddam Hussein, die das Volk ins Elend stürzten, nicht aber den Machthaber und seine Satrapen? Wie kamen sie klar in einer so fremden Welt? Wie sollten sie sich politisch engagieren? Wie ihre kulturellen Bedürfnisse stillen?
    Er rollte einen Platz nach vorn.
    Vermutlich war Ingeborg längst tot. Sie war nicht zurückgekommen, als das BKA sie von der Fahndungsliste gestrichen hatte. Aber vielleicht fürchtete sie, dass noch etwas herauskommen könnte, das ihr ein paar Jahre Knast einbrachte.
    In der
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