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Ein Mann von Ehre

Ein Mann von Ehre

Titel: Ein Mann von Ehre
Autoren: ANNE HERRIES
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leben. Außerdem hätte sie sich sonst eine Anstellung suchen müssen, zum Beispiel als Gouvernante.“
    „Warum sollte es für eine Dame fortgeschrittenen Alters ungehörig sein, ohne weibliche Gesellschaft zu leben?“, fragte Damian amüsiert. „Es sei denn, Miss Eastleigh, Sie hätten den Hang, in Lyston House wilde Orgien zu feiern, wenn niemand da ist, der auf Sie acht gibt.“
    „Sie Schelm!“, erwiderte Rosalyn auflachend und fand Mr. Wrexham ausgesprochen nett und sympathisch. Wenn er immer so unterhaltsam war, würde er schnell der faszinierende Mittelpunkt so mancher Abendgesellschaft sein, die ohne ihn öde gewesen wäre. „Wie können Sie mir die Neigung zur Leichtlebigkeit unterstellen? Ich sollte Ihnen die Ohren lang ziehen. Ich verzeihe Ihnen Ihre Keckheit jedoch und nehme die Einladung gern an, vorausgesetzt, Sie erstrecken sie auch auf meine Cousine.“
    „Sie sind die Großzügigkeit in Person, Miss Eastleigh“, sagte Damian lächelnd. Der herzliche Ausdruck in seinen dunkelbraunen Augen trieb ihr unwillkürlich die Röte ins Gesicht. „Ich glaube, Sie werden Jared mögen. Er wird Sie gewiss vergöttern!“ Mr. Wrexhams Lächeln war so gewinnend, dass es Rosalyn die Sprache verschlug. „Gut, dann erwarte ich Sie morgen Abend um halb sieben. Wir dinieren eine halbe Stunde später.“
    „Ich freue mich darauf, morgen mit meiner Cousine Miss Bellows zu Ihnen zu kommen, Sir.“
    „Fein! Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Tag, Miss Eastleigh. Bis morgen!“ Damian verneigte sich und ging den Weg durch den Obstgarten zurück.
    Rosalyn schaute ihm noch ein Weilchen hinterher. Die zufällige Begegnung hatte ihre Stimmung sehr gehoben. Sie fand ihn amüsant, und irgendwie hatte er ihr Interesse geweckt. Vor allem der Umstand, dass er von einem Schüler gesprochen hatte, machte sie neugierig, und sie überlegte, ob er Privatlehrer sein mochte. Andererseits hatte er einen sehr energischen und körperlich ertüchtigten Eindruck auf sie gemacht, sodass ihr der Gedanke kam, er könne ebenso gut bei der Armee oder vielleicht sogar Leibwächter sein.
    Möglicherweise hatte er in einem fremden Land gelebt, wo höhergestellte Herrschaften oft die Dienste von Leibwachen benötigten. Unvermittelt fiel ihr der Zeitungsbericht über einen indischen Prinzen ein, der erst vor Kurzem einen Attentatsversuch überlebt hatte. Gewiss bestand kein Zusammenhang zwischen dieser Geschichte und Mr. Wrexham, der eindeutig guter Herkunft und tadellos erzogen war. Was seine Garderobe betraf, so hatte er einen vorzüglichen Geschmack und strahlte eine Vitalität aus, durch die er sich sehr von den anderen Herren unterschied, die Rosalyn bislang begegnet waren.
    Nicht nur durch seine charmant offene Ausdrucksweise hatte er etwas unorthodox auf sie gewirkt, und sie war überzeugt, dass er sich nie Konventionen beugte, sich nicht den für die Gesellschaft gültigen Regeln unterwarf. Sie schätzte ihn auf Ende dreißig und vermutete, dass er sein bisheriges Leben in vollen Zügen genossen hatte. Er war ein Mann mit Vergangenheit, sehr ungewöhnlich und nicht ganz ungefährlich.
    Lächelnd begab Rosalyn sich ins Haus und traf im Entree die Cousine an. Maria Bellows war von kleinem, drallen Wuchs und machte stets einen unscheinbaren Eindruck. Sie meinte es gut mit Rosalyn, übertrieb ihre Fürsorge jedoch.
    „Da bist du ja!“, äußerte Maria erleichtert. „Sind deine Kopfschmerzen fort? Du siehst sehr viel gelöster aus.“
    „Ich fühle mich tatsächlich wohler. Der Spaziergang hat mir gutgetan.“
    „Wer war der Herr, mit dem du dich soeben unterhalten hast? Ich habe ihn früher noch nie gesehen.“
    „Das war Mr. Damian Wrexham, unser neuer Nachbar“, antwortete Rosalyn und amüsierte sich im Stillen über die Neugier der Cousine. „Auch ich habe ihn erst vorhin kennengelernt. Er wohnt mit seinem Schützling, einem Inder, der Jared heißt, in Orford Hall und hat uns morgen Abend zum Essen eingeladen.“
    „Zum Essen?“, wiederholte Maria befremdet. „Meine liebe Rosalyn! Hältst du es für angebracht, mit zwei Herren zu dinieren, von denen einer Inder ist?“ Bedauernd schüttelte Maria den Kopf. „Wie schade, dass Lord Orford genötigt war, sein Anwesen im Sommer an Fremde zu vermieten.“
    „Du solltest dich schämen, Maria“, entgegnete Rosalyn in leicht tadelndem Ton. „Sei nicht überheblich! Mr. Wrexham hat einen sehr ehrenhaften Eindruck auf mich gemacht, und dieser Mr. Jared wird sich gewiss ebenfalls
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