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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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interessierte er sich ebenfalls sehr lebhaft dafür, besuchte die Versammlungen der Aktionäre, wurde in den Ausschuß gewählt, nahm an Beratungen teil, hielt lange Reden, widerlegte, bestritt, und das alles mit sichtlichem Vergnügen. Besonders gern trat er mit Reden auf: So konnte er jedenfalls seinen Geist öffentlich unter Beweis stellen. Und überhaupt liebte er es jetzt über alles, selbst in den intimsten privaten Situationen, ganz besonders tiefsinnige Bemerkungen oder gar ein Bonmot in die Unterhaltung einzuflechten; ich finde das nur zu erklärlich. In seinem Haus, im Parterre, wurde eine Art Kontor eingerichtet und ein Beamter angestellt, um Post, Rechnungen und Buchführung zu erledigen und gleichzeitig das Haus zu verwalten. Dieser Beamte, der außerdem hauptamtlich einen Posten in einer Behörde bekleidete, hätte für die anfallende Arbeit vollkommen genügt; aber auf Wunsch des Fürsten persönlich wurde ich ihm beigegeben, angeblich, um ihm zu helfen; aber ich wurde umgehend in das Kabinett umgesiedelt und hatte oft nicht einmal zum Schein irgendeine Arbeit vor mir liegen, weder Schriftstücke noch Bücher.
    Ich schreibe das als ein Mensch, der längst ernüchtert und in mancher Beziehung fast ein Außenstehender geworden ist, aber wie kann ich meine damalige, tief im Herzen nistende Trauer (die mir im Augenblick wieder gegenwärtig ist) und vor allem meine damalige Erregung in Worte fassen, eine Erregung, die sich bis zu einem so wirren fiebrigen Zustand steigerte, daß ich sogar nachts keinen Schlaf mehr fand – vor Ungeduld, vor lauter Rätseln, die ich mir selbst gestellt hatte.
    II
    Geld einfordern – eine gräßliche Situation, selbst wenn es um das Gehalt geht, sobald irgendwo in den Falten des Gedächtnisses das Gefühl entsteht, es eigentlich nicht wirklich verdient zu haben. Indessen hatte meine Mutter am Vorabend flüsternd, heimlich vor Werssilow (um Andrej Petrowitsch nicht zu betrüben), meiner Schwester anvertraut, daß sie am nächsten Morgen eine Ikone versetzen wollte, die ihr aus irgend einem Grunde besonders viel bedeutete. Ich sollte fünfzig Rubel monatlich bekommen, war aber völlig ahnungslos, auf welche Weise ich sie erhalten würde; bei dem Vorstellungsgespräch war ich darüber nicht unterrichtet worden. Vor etwa drei Tagen, als ich im Parterre den Beamten antraf, hatte ich mich bei ihm erkundigt, wer hier für das Gehalt zuständig sei. Er hatte mich mit einem erstaunten Lächeln gemustert (er mochte mich nicht):
    »Steht Ihnen denn ein Gehalt zu?«
    Ich dachte schon, er würde nach meiner Antwort hinzufügen:
    »Und wofür denn das?«
    Aber er antwortete nur trocken, daß ihm »nichts davon bekannt« sei, und vertiefte sich wieder in sein liniertes Hauptbuch, in das er aus verschiedenen Zetteln Zahlen übertrug.
    Es konnte ihm jedoch nicht verborgen bleiben, daß auch ich einiges leistete. Vor zwei Wochen hatte ich geschlagene vier Tage lang über einer Arbeit gesessen, die er mir selbst ausgehändigt hatte: Es galt, einen Entwurf ins reine zu schreiben, aber es lief auf eine Neufassung hinaus. Es war eine ganze Meute von »Gedanken« des Fürsten, die er dem Komitee der Aktiengesellschaft vorlegen wollte. Alles mußte zu einem Ganzen komponiert und auch der Stil überarbeitet werden. Anschließend haben der Fürst und ich einen ganzen Tag lang über diesem Schriftstück gesessen, wobei er mir sehr lebhaft widersprach, aber im Ganzen zufrieden war; ich weiß nur nicht, ob er die Schrift wirklich vorgelegt hat oder nicht. Die paar Briefe, ebenfalls Geschäftsbriefe, die ich auf seine Bitte hin geschrieben habe, will ich gar nicht erwähnen.
    Es gab aber noch einen ärgerlichen Grund, der mir die Frage nach meinem Gehalt schwermachte: Ich hatte nämlich schon beschlossen, meine Stellung zu kündigen, in dem Vorgefühl, mich auch hier zurückziehen zu müssen, den zwingenden Umständen folgend. Als ich an diesem Morgen in meinem Kämmerchen aufwachte, fühlte ich plötzlich beim Ankleiden mein Herz unbändig klopfen, und auch beim Eintritt in das Haus des Fürsten überkam mich wiederum, obwohl ich mir nichts daraus machen wollte, dieselbe Erregung: An diesem Vormittag sollte hier jene Person, jene Frau eintreffen, von deren Erscheinen ich sämtliche Erklärungen für all das erwartete, was mich so quälte! Es war niemand anders als die Tochter des Fürsten, die Generalin Achmakowa, die junge Witwe, die ich bereits erwähnte und die aufs grausamste mit Werssilow
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