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Ein Fall für Perry Clifton

Ein Fall für Perry Clifton

Titel: Ein Fall für Perry Clifton
Autoren: Wolfgang Ecke
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England!“
    „Angeber! Wenn dein Freund so
tüchtig ist, warum geht er dann nicht zur Polizei, he?“
    Dicki hat sich diese Frage auch
schon oft gestellt. Natürlich darf er das Ronnie
gegenüber nicht zugeben. Wo er doch genau weiß, daß der nur aus blankem Neid solche
Fragen stellt. Lässig bemerkt er deshalb:
    „Vielleicht will er nicht.
Kriminalistik ist eben sein Hobby!“
    „Quatsch! Hobby ist, wenn man
Briefmarken sammelt oder Schmetterlinge.“ Ronnie fühlt sich maßlos überlegen. „Mein
Vater sammelt Bierdeckel, das ist was!“
    Dicki spürt, wie in ihm langsam
die kalte Wut hoch-kriecht. Am liebsten würde er Ronnie eine Tracht Prügel
verabreichen.
    „Du bist ein dümmer Zipfel, Ronnie. Bierdeckel sammeln kann jeder Holzfäller. Aber um einen Fall
aufklären zu können, braucht man Köpfchen.“ Dicki hat sich in Fahrt geredet.
Längst hat er den Vorfall in der Geschichtsstunde vergessen. Und während Ronnie
noch überlegt, welche Beleidigung schwerer wiegt — der dumme Zipfel oder die
Tatsache, daß sein Vater ebenso Holzfäller sein könnte — fährt Dicki schon
fort:
    „Eines Tages wird Perry einen
Fall aufklären, und ganz London wird über ihn sprechen. Die Zeitungen werden
lange Artikel bringen, und er wird berühmt sein. Und ich bin sein Freund. — Und
was hast du? Einen Vater, der Bierdeckel sammelt.“
    So, das hat gesessen. Dicki
genießt den Triumph, Ronnie den Mund gestopft zu haben. Und mit dem sicheren
Gefühl des Sieges läßt er Ronnie stehen und setzt seinen Weg allein fort.
    Er ahnt nicht, wie bald schon
seine Prophezeiung eintreffen soll.
     
     
     

Das
Telegramm
     
    Das Haus Starplace Nr. 14
befindet sich im Stadtteil Norwood. Es ist ein alter grauer Steinklotz mit vier
Etagen. Eine Menge dunkler Stellen zeigt, wo der Außenputz schon abgebröckelt
ist. Es ist alles andere als ein schönes Haus. Und doch hat es auch seine
Vorteile.
    Sieht man vom obersten Stock in
südliche Richtung, fällt der Blick bis auf die breite Asphaltstraße, die nach
Croydon zum Flugplatz führt. Der vierte Stock umfaßt drei Wohnungen.
    Die kleinste davon bewohnt der
Junggeselle Perry Clifton.
    Perry mißt vom Fuß bis zum
Scheitel stattliche 182 Zentimeter. Er ist schlank, immer gut rasiert und wirft
den Schlagball 112 Meter weit.
    Eine Tatsache, die bei Dicki
Miller auf allergrößte Bewunderung stößt. Dabei ist Perry genau zweieinhalbmal
so alt wie Dicki.
    Perry arbeitet in der
Werbeabteilung eines Mammutkaufhauses im Herzen von London.
    Das Dumme ist nur, daß er sich
aus Werbung rein gar nichts macht. Viel lieber wäre er in der Detektivabteilung
des Unternehmens beschäftigt. Doch alle Bitten, Gesuche und Vorsprachen um
Versetzung sind bis zum heutigen Tag umsonst gewesen. Dabei ist Perry Clifton
der größte Detektiv von England — so behauptet es wenigstens Dicki Miller. Na,
und Dicki muß es ja wissen, er ist schließlich sein Freund.
    Die Millers haben ebenfalls eine Wohnung auf der vierten Etage. Sie wohnen, genaugenommen, mit
Perry Tür an Tür. So kommt es auch, daß kaum ein Tag vergeht, ohne daß Dicki
seinem Freund einen Besuch abstattet; und sei er noch so kurz.
     
    In diesem Augenblick steht
Perry vor einem kleinen aufgeklappten Koffer. ,Habe ich alles?’ überlegt er und kratzt sich gedankenvoll auf der Nase. Prüfend
wandern seine Augen durch den Raum...
    Das Nachthemd.
    Perry klappt das Schrankbett
herunter und zieht ein blaues Nachthemd hervor. Dabei muß er unwillkürlich
grinsen. Wie oft haben ihn seine Freunde und Bekannten schon damit aufgezogen.
    ,Ein Gentleman trägt einen Pyjama
und kein Nachthemd’, behaupten sie. Doch Perry hat eigene Ansichten. Im Geist sieht
er noch seinen Vater vor sich, der stets nur knöchellange Hemden trug. Wenn er
die Stufen zum Schlafgemach hochging, mußte er sein meist bunt geblümtes
Nachthemd wie eine Schleppe hochnehmen. Perrys Gedankengänge werden abrupt
gestoppt.
    Es hat geklopft.
    „Herein!“
    Es ist Dicki.
    „Hallo, Dicki!“
    Erst erstaunt, dann enttäuscht
mustert Dicki die Vorbereitungen, die nur auf eine Reise schließen lassen
können. Perry wirft ihm das Nachthemd zu.
    „Hier, Dicki. Viermal falten.
Aber ordentlich!“
    „Sie wollen verreisen, Mister
Clifton?“
    „Mach kein Gesicht, als gingest
du zur Beerdigung. Ich fahre nach Ipswich.“
    Während Dickis Hände
automatisch das Nachthemd falten, fragt er ein wenig hoffnungslos:
    „Für lange, Mister Clifton?“
    „Vielleicht für zwei Tage... Du
lieber
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