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Ein Elefant im Mückenland

Titel: Ein Elefant im Mückenland
Autoren: Arto Paasilinna
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Lucia mit warmem Wasser abspritzte. Er äußerte seine Verwunde-rung, dass die Tiergattung nicht in den Frachtpapieren vermerkt war. Zum ersten Mal sollte er einen Elefanten auf seine letzte Reise schicken. Lucia erklärte, sie habe sehr wohl gesagt, dass es sich um einen Elefanten hand-le, aber anscheinend habe man das in der Einkaufsab-teilung der Fabrik nicht ernst genommen und nur das Schlachtgewicht auf der Bestellung vermerkt, und das betrage in der Tat mehr als drei Tonnen.
    Sie führte Emilia hinaus. Laakso fuhr sein Auto rückwärts an den Hühnerstall heran, öffnete die Hinter-türen und ließ die Hebebühne hinab. Mit tränenerstick-ter Stimme befahl Lucia ihrer Gefährtin, aufzusteigen. Emilia wunderte sich, ging es etwa schon wieder auf Reisen? Sie befolgte jedoch gehorsam den Befehl und setzte den Vorderfuß auf die stählerne Hebebühne. Es knirschte scheußlich, als die Bremsvorrichtungen nach-gaben. Laakso kurbelte die Bühne von Hand hinunter. Ein neuer Versuch, und jetzt hielt die Bühne, aber Breite und Höhe des Fahrzeugs reichten nicht annä-hernd aus. Lucia gab Emilia den Befehl, sich auf die Knie niederzulassen und in das Auto zu kriechen, jetzt passte es zwar mit der Höhe, aber die Ladefläche war für den Elefanten einfach zu schmal. Die Fahrzeuge des Suomi-Zirkus waren mehr als drei Meter breit gewesen. Im Straßenverkehr war stets ein PKW vorweg gefahren, der mit Warnschildern auf die Überbreite aufmerksam gemacht hatte. Hier war nun der Raum fast einen Meter schmaler, und Emilia passte einfach nicht hinein, auch wenn sie sich noch so sehr bemühte.
    »Das wird nichts«, konstatierte Laakso. Er erklärte, dass der Schlachthof keine breiteren Fahrzeuge besitze, sodass der Elefant hier auf dem Hof erschossen werden müsse, dann müsse er mit der Motorsäge zerstückelt
    werden, anschließend könne man die Teile mit dem Kran in das Fahrzeug hieven und zum Schlachthof fahren. Bei der Schlachtung müsse der Tierarzt anwe-send sein, andernfalls dürfe man aus dem Fleisch keine Wurst machen.
    Lucia weinte und streichelte Emilias weichen Rüssel und die samtige Zunge. Dies war so schrecklich! Emilia begriff nicht, warum ihre Betreuerin weinte, hatte sie doch alles gemacht, was Lucia befohlen hatte, aber sie hatte einfach nicht in das Auto gepasst. Mit ihrem Ele-fantenverstand überlegte sie sich, dass sie vielleicht ein passendes Kunststück machen könnte, damit sich die Stimmung ein wenig hob.
    Emilia öffnete den anderen Teil der Doppeltür und angelte sich mit dem Rüssel ein fettes Huhn aus dem Stall, dann kam sie damit zurück, erhob sich gewichtig auf zwei Beine und schwenkte das gackernde Huhn in gut fünf, sechs Metern Höhe durch die Luft. Anschlie-ßend verharrte sie in der Stellung und wartete auf Ap-plaus, der aber nicht kam. Beschämt brachte sie das Huhn wieder zurück und ging selbst auch auf ihren angestammten Platz im Stall. Auf dem Hof unterhielten sich die Menschen, und dann fuhr das Auto ab. Nach einiger Zeit kam Lucia und wusch Emilia mit warmem Wasser. Sie stammelte, dass sie nie im Leben auch nur daran denken würde, ihren Elefanten schlachten zu lassen, hatten sie doch all die Jahre seit Emilias Geburt gemeinsam verbracht.
    Lucia wunderte sich über sich selbst, was war nur in sie gefahren, dass sie das Schlachtauto bestellt hatte, Emilia abzuholen. Bilder aus dem Schlachthof kamen ihr in den Sinn. Sie hatte in ihrem Leben durchaus schon Fleischfabriken gesehen. Rinderkörper wurden mit dem Transportband vom Schlachtplatz zu den Zerle-gern gefahren. Und wie sollte das bei Emilia überhaupt funktionieren? Sie war ein so kluges Geschöpf, dass sie gleich bei der Ankunft im Schlachthof merken würde, was man mit ihr vorhatte. Es schüttelte Lucia förmlich, als sie all das bedachte. Zum Glück war das Fahrzeug zu eng für den Elefanten gewesen, zum Glück! Und niemals würde Emilia auf dem Hof vor Länsiös Hühner-stall erschossen, das käme nicht in Frage. Das wäre wie Totschlag, eigentlich wie Mord! Ein liebes Tier und einen guten Arbeitskameraden zu töten erschien ihr jetzt als das Werk eines vollkommen gefühllosen Menschen. Sie versuchte sich einzureden, dass sie nicht grausam, sondern dass alles nur die Folge ihrer Müdigkeit und der ausweglosen Situation war. Emilia fraß zu viel und war zu groß, aber jetzt war Lucia zur Vernunft gekom-men.
    »Oh Emilia, verzeih mir! Du wirst nicht getötet!« DAS REZEPT
    FÜR ELEFANTENWURST
    Da der Elefant nicht ins Auto
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