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Dynamit im Kofferraum

Dynamit im Kofferraum

Titel: Dynamit im Kofferraum
Autoren: Stefan Wolf
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ihren
Ellbogen, griffen aber nicht zu.
    „Weshalb? Wer sind Sie
überhaupt?“
    „Ich bin der Hausdetektiv. Und
ich sah Ihnen zu über die Schulter, als Sie den Scheck ausschrieben. Über 411
DM, nicht wahr?“
    „Allerdings.“
    „Sage ich doch. Aber das
Video-Gerät kostet 998 DM. Ein schöner, sauberer Betrugsversuch.“
    „Sind Sie bei Trost!“ stieß die
Frau hervor. „Das Gerät kostet 411 DM. Das steht doch drauf.“
    „Kommen Sie mir nicht damit.
Schon mal was vom Umkleben gehört? Ein alter Trick. Ein Preisschild irgendwo
abpulen und auf eine Ware kleben, die viel teurer ist. Und jetzt kommen Sie
mit, ich sage es nicht noch einmal!“
     
    *
     
    Schon im dritten Jahr reiste er
an, eigens für den Sommerschlußverkauf. Der lag nun schon lange zurück, denn es
war Ende September. Aber Branco war hiergeblieben, auf goldenem Pflaster.
    Er liebte das Gewusel in den
Kaufhäusern: für einen Taschendieb das beste Revier.
    Ein Dutzend Profis seiner
Branche dachte genauso.
    Für sie war es Tradition:
Sommerschluß-Verkauf, Winterschluß-Verkauf. Alle kamen, alle stahlen, alle
verdienten prachtvoll und reisten dann wieder ab aus den westdeutschen
Großstädten, wo reichlich Beute vorhanden ist.
    Sogar Mivan — das Gerücht hielt
sich hartnäckig — sollte hier sein, immer noch seit dem Sommerschluß-Verkauf:
Mivan, König der Taschendiebe, dessen Gesicht niemand kannte.
    Ein warmer Tag Anfang Herbst.
    Branco fuhr Rolltreppe. In
jedem Stock des Kaufhauses SUPER stürzte er sich ins Gewimmel.
    Zwölfmal hatte er gezogen:
Portemonnaies, Brieftaschen, einmal sogar gebündelte Scheine in goldener
Geldklammer.
    Er nahm nur das Geld. Die
Geldbeutel warf er weg.
    Seine Brieftasche war
inzwischen auf geschätzte 4000 DM angeschwollen. Toll! Grandios! Was für ein
Nachmittag! Der beste seit drei Wochen.
    Jetzt stand Branco vor dem
Lift.
    Eine Menschentraube quoll
hervor.
    Der Typ dort im hellen Zwirn.
Südländischer Teint, schwarzes Kraushaar. Aber chic in Schale. Alles, was er
trug, sah neu aus, nur das Gesicht nicht.
    Branco wurde gegen ihn
geschubst, aber nur scheinbar.
    Eine abwehrende Hand. Branco
spürte sie. Klar, das machten sie immer. Aber schwupp! Er arbeitete blitzartig;
seine Flinkfinger glitten in jede Tasche, unmerklich.
    „Verzeihung!“ murmelte er
seinem Opfer ins Gesicht.
    Weg jetzt! Bitte, ohne Hast,
nur mit üblicher Hektik. Abwärts mit dem Lift. Zur Toilette.
    Am Waschbecken stand ein
Jüngling und kämmte sich mit Hingabe, hatte eine Tube Gel in der Tasche und
zwei Kämme.
    Branco schloß sich in einer
Klokabine ein.
    Und dann die Enttäuschung.
    Eine Edelbrieftasche aus
feinster Tierhaut hätte er dem Kraushaar-Typ zugetraut.
    Statt dessen sah Branco jetzt,
was er gestohlen hatte: ein paar schmierige Fächer aus lappigem Leder.
    Der Inhalt! Ein Zwanziger und
zwei Gebrauchsanleitungen: für ein Gerät zur Herstellung von stichfestem
Joghurt und für Energie-Einsparungen im Einfamilienhaus.
    Ärgerlich schleuderte Branco
die Zettel zu Boden, einschließlich der Brieftasche.
    Dann wollte er den Zwanziger
seiner eigenen Brieftasche, der fett-geschwollenen, einverleiben.
    Die Bewegung erstarrte, sein
Herzschlag setzte aus.
    Brancos Brieftasche — mit dem
Inhalt von mindestens 4000 DM — war verschwunden.

2. König der Taschendiebe
     
    Tim drängte sich an Klößchen
vorbei und auch an der Kasse. Der Frau, die dort das Geld vereinnahmte, zeigte
er seine leeren Hände.
    Dann stand er bei Blondzöpfchen
und dem rot-gelben Hausdetektiv.
    Der hatte inzwischen zugelegt,
was die rote Farbe betraf, nämlich eine Portion Wut im Gesicht. Die Frau mit
ihrem Widerstand regte ihn auf.
    „Moment mal!“ sagte Tim. „Ich
bin Zeuge.“
    „Was?“ Der Detektiv starrte ihn
an. „Du hast es gesehen?“
    Tim nickte. „Habe alles
gesehen.“
    Er wandte sich der Frau zu und
blinkerte linksäugig, was aber der Rotgelbe nicht sehen konnte.
    „Es ist besser für Sie“, sagte
Tim, „wenn Sie den Hausdetektiv zu seinem Büro begleiten. Ich als Zeuge komme
selbstverständlich mit.“
    Klößchen, der heute eine
Sportkappe trug — das Schild übers linke Ohr nach hinten gedreht, eierte heran.
    „Was ist los? Geht’s um
Batterien?“
    „Nein“, sagte Tim.
„Umkleber-Betrug. Du bist auch Zeuge. Mußt also mit.“
    „Heheheh!“ gurgelte der Rot-gelbe.
„Wer mitkommt, bestimme immer noch ich. So groß ist mein Büro nicht.“
    „Nach Paragraph 317, römisch
zwei, Strafgesetzbuch, ist Zeugen-Ausklammerung
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