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Dunkle Burg

Dunkle Burg

Titel: Dunkle Burg
Autoren: David Luckett
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knorriger Mann, aber er baute stark ab…
    Ich gab ihm noch ein Jahr oder so, je nachdem. Er hatte schon vor langer Zeit aufgehört, sich um mich zu kümmern, und nun kümmerte ich mich um ihn, mehr oder weniger. Soviel war ich ihm schuldig, dachte ich. Obwohl er nicht mein Vater war, hatte er mich vor dem Verhungern und Erfrieren bewahrt, als ich klein war – ich glaube, weil er meine Mama mochte. Mama war tot. Gestorben, als ich noch keine vier Jahre alt war. Meinen eigenen Vater hatte ich nie gesehen. Sart war der einzige Mensch, der für mich so etwas wie ein Verwandter war. Er hatte sich mit Mama zusammengetan, nachdem mein eigener Vater verschwunden war. Manchmal erzählte er mir von Mama, und dann lächelte er. Wenn er im Rausch gefühlsselig wurde, weinte er auch.
    Als ich die Außentreppe auf der Seite des Hauses von der Durchfahrt erstieg, zog ich den Geldbeutel hervor. Petey, der Sohn des Aalpasteten-Ladens, stand an seinem gewohnten Platz, wo er die Straße beobachtete, und er sah mich, als ich in die Durchfahrt zur Treppe huschte. Ich glaube nicht, dass er den Geldbeutel erspähte – der war unter meinem Arm gut versteckt –, aber Peteys kalten Augen entging nicht viel. Wenn er mir auf die Schliche kam, würde er einen Anteil verlangen. Einen großen. Sart konnte ich herumkriegen, wenn es darauf ankam. Petey war nicht der Typ, der sich einwickeln ließ.
    Und dies war kein gewöhnlicher Geldbeutel. Die Gruppe hatte aus drei Männern bestanden, die zum Markt nach Tenebra gekommen waren. Nach ihrer Kleidung und ihrem Auftreten hatte ich sie für einen Gutsbesitzer, seinen Sohn und einen Bediensteten gehalten. Ich war in der Gasse der Walker und Färber auf die drei aufmerksam geworden, als sie sich Seidenstoffe und Samt hatten zeigen lassen. Wahrscheinlich für eine Hochzeit. Vielleicht die des Sohnes. Und sie hatten das Geld dafür.
    Ich war ihnen nachgegangen und hatte sie beobachtet, als sie nacheinander drei der zur Gasse offenen Geschäftslokale besucht hatten. Sie waren außerhalb meiner üblichen Reichweite gewesen, denn sie trugen alle Schwerter, und der Bedienstete wirkte so hartgesotten wie ein ehemaliger Söldner. Doch ich hatte bei der Sache ein gutes Gefühl gehabt. Schon seit längerem war mir klargeworden, dass ich anfangen musste, größere Fische zu fangen, wenn ich vorwärtskommen wollte. Oder auf etwas ganz anderes umsteigen.
    Mutter Lessing hatte mir bereits ein Angebot gemacht. Einige ihrer Kunden hatten eine Vorliebe für ganz junge Mädchen. Nun, es war eine Möglichkeit, wenn auch keine, die mich interessierte. Gewiss, manchen Mädchen gelang es, so viel zu verdienen, dass sie sich aus dem Haus freikaufen konnten oder sogar heirateten. Die meisten schafften es allerdings nicht, und sie wurden schnell alt. Sogar noch schneller, als Sart alt geworden war. Und mein Talent war in diesem Beruf nutzlos. Man kann es nicht gebrauchen, um menschliches Denken zu beeinflussen.
    Also folgte ich dieser Gruppe von Landbewohnern und überlegte. Sie gaben Acht auf die Eckensteher, Strolche und Ganoven, von denen es nicht nur an Markttagen genug gab, nicht aber auf mich. Ich war vielleicht vierzehn, sah aber wie zwölf aus, und was hatten drei große Männer von einem zerlumpten kleinen Mädchen zu fürchten?
    Viel, war die Antwort. Erst gestern hatte ich beinahe den ganzen Tag unten am Fluss verbracht und im Schlamm nach Brauchbarem gesucht. Manchmal treibt die Strömung Dinge an, die man verkaufen kann, obwohl es gewöhnlich mehr auf tote Katzen, Fäkalien und Treibholz hinausläuft. Ich suchte das Ufer ab und hätte alles aufgehoben, was marktgängig war, aber das war nicht der Grund, der mich dorthin geführt hatte. Der Grund war die Kraft. Der Fluss bringt sie aus den Bergen herab, und ich kann sie speichern und gebrauchen, wenn ich das Talent anwende. Und der Fluss führte spätwinterliches Hochwasser; in dieser Zeit hatte er mehr als in jeder anderen. Also hatte ich Kraft und konnte damit mein Talent versorgen.
    Ich wusste damals nicht, was mein Talent ist. Ich wusste nur, dass ich allein mit dem Willen etwas bewirken konnte. Tiere liebten mich, wenn ich es wollte. Ich konnte erreichen, dass sie die Dinge so sahen wie ich. Ich konnte sie auch verändern, das heißt, ihre Körper verändern. Fred hatte ich von der Räude geheilt, und ich war eine der wenigen, die er in seine Nähe ließ. Für einen Hund war Fred verrückt.
    Als diese drei Herrschaften vom Land ihre Einkäufe gemacht hatten
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