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Dreibettzimmer: Roman (German Edition)

Dreibettzimmer: Roman (German Edition)

Titel: Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
Autoren: Sebastian Glubrecht
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in Ungarn sei und ob es Herrn Béla gut gehe. Falls ja, solle ich schleunigst nach Tirol zurückzukommen, denn meine Geschichte, für deren Abdruck ich ihr so viel Geld bezahlt habe, werde morgen in der »aktuellen und wahrscheinlich letzten Ausgabe des ›Familienurlaubs‹« erscheinen. Außerdem werde meine »Fake-Frau« morgen abreisen, was Jeannie mich »nur mal so nebenbei« wissen lassen wollte. Alles klar.
    Während meines Telefonats haben sich die Ungarn in den Schankraum zurückgezogen. Nur Herr Béla ist bei mir auf der Treppe geblieben. Als ich aufgelegt habe, fragt er mit besorgtem Gesicht: »Geht es Leonie gut?«
    Ich nicke. Seine Anteilnahme rührt mich. Herr Béla nimmt mir sachte den Hörer aus der Hand und reicht mir ein Glas Papa Ice Tea.
    »Der ist nach diesem Dorf benannt«, erklärt er. »Die Abkürzung von Györgiyszkopapázentlászló ist Papá.« Er hebt sein Glas. »Auf die Familie!«
    Meine Kehle wird etwas eng, aber ich bin mir sicher, der Drink wird sie freiräumen. »Auf die Familie«, sage ich.
    Herr Béla streckt die Hand aus, ich ergreife sie.
    »Zsolt!«, sagt er.
    »Caspar!«
    Kurz darauf erlebe ich das erste Familienfest, gegen das meine Großstadtevents so zahm erscheinen wie After-Work-Partys für Halbtagsstellen.
    Herr Béla und Nadine sind tatsächlich total verknallt, turteln und knutschen. Ich bin einfach nur erleichtert, dass Leonie wiederaufgetaucht ist, und kippe einen Papa Ice Tea nach dem anderen, bis alle aufstehen, um zu tanzen. Auch wenn ich sonst lieber an der Bar mit dem Kopf nicke – dies ist die erste Gelegenheit, den ganzen angestauten Frust der letzten Tage herauszulassen: Ich gebe inmitten der Familie Béla auf den Tischen das wilde Mannle – mit Originalbewegungen, die ich mir vom Männchen auf dem Holzschild abgeschaut habe. Zwischendurch werfe ich den Kopf in den Nacken und rufe laut: »Hussa!«, weil ich nicht weiß, was ich sonst rufen soll.
    In einer Verschnaufpause beichte ich Herrn Béla meine Mission. Er hat schon von Frau Sommer gehört, dass Anne, Leonie und ich wohl keine echte Familie seien, und war ziemlich enttäuscht.
    »So ein schönes Paar. Leonie ist euch beiden wie aus dem Gesicht geschnitten. Anne ist wirklich eine tolle Frau. Dumm, dass du alles kaputt gemacht hast.«
    Ohne zu überlegen, nicke ich. Vielleicht ist das wirklich so. Man trifft seine Amour fou irgendwann, wenn man jung und empfänglich dafür ist. Die wahre Liebe, die tiefer geht, reifer ist und länger hält, erkennt man nicht sofort. Weil man sie nicht erkennen will – und weil man sich dafür vielleicht ein bisschen verändern muss. Und wer einmal auf dem selbst gewählten Weg zur Einsamkeit ist, der kommt da nur schwer wieder runter.
    Herr Béla, den ich einfach nicht beim Vornamen nennen kann, stellt mich seinem Bruder János vor, der versucht, mit seinem Abschleppdienst genug Geld zu verdienen, um sich »eine gute Frau zu kaufen«. Herr Béla versucht ihm das seit seiner Rückkehr auszureden.
    »Das ist der Mann, der mir gesagt hat, dass ich auf mein Herz hören soll«, erklärt Herr Béla stolz und deutet auf mich. »Sonst hätte ich mich nie getraut, Nadine anzusprechen.«
    »Und für welche Frau schlägt dein Herz?«, will János wissen. Herr Béla sieht mich an und nickt.
    »Für eine Frau, die bald einen anderen Mann heiratet«, erkläre ich. »Einen, der sie betrügt.«
    János zieht die Stirn in Falten. »Warum bist du noch hier? Fahr zurück, und hol sie dir wieder.«
    »Aber ich bin total betrunken. Ich kann doch jetzt kein Auto mehr fahren.«
    »Das war Steve McQueen auch, so wie der in ›Bull it‹ gefahren ist.« Wahrscheinlich hat er recht. Echte Männer handeln auch mal unvernünftig. Echte Frauen tun das andauernd.
    »Okay, ich mache es.«
    Er schaut mich entgeistert an. »Bist du bescheuert? Ich dachte, ihr Deutschen seid immer so korrekt.« Er haut sich lachend auf die Schenkel. »Habe dich nur verarscht. Wir bringen unsere Gäste immer heil nach Hause – egal, wie viel sie getrunken haben und wo sie hinmüssen. Ist eine alte Familientradition.«
    Wir stoßen an und sehen zur lachenden Zsófia hinüber.
    »Sie ist das einzige Mädchen unter fünf Brüdern«, erklärt János stolz. Zsófia merkt, dass wir sie ansehen, tänzelt zu uns herüber, greift meine Hand und zieht mich hoch auf die Tanzfläche.
    »Keine Zeit, zu denken!«, ruft sie. »Fühlen!«
    Recht hat sie. Alles ist prima, alle Paare zusammen und ich endlich wieder Single:
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