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Drei Wunder (German Edition)

Drei Wunder (German Edition)

Titel: Drei Wunder (German Edition)
Autoren: Alexandra Bullen
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am Nachmittag des Vortages aufgenommen hatte.
    »Olivia, bist du das?«, war Bridgets Stimme zu hören.
    Olivia zögerte auf dem Treppenabsatz, hielt die Tasse näher an die Nase und inhalierte eine Wolke Teedampf. Sie schloss für einen Moment die Augen und lehnte sich gegen das wacklige Geländer, bevor sie umdrehte und den Flur entlangging.
    Bridgets dunkelblondes Haar, das sie regelmäßig mit hellen Strähnchen versehen ließ, war zu einem hoch am Kopf sitzenden Pferdeschwanz zusammengebunden. Ihre ausgeprägten Wangenknochen zeigten kleine rote Flecken – das einzige Anzeichen, dass sie sich anstrengte. Ihr Blick war auf den Bildschirm des kleinen Fernsehers gerichtet, der in der Mitte eines leeren Bücherregals stand.
    »Morgen«, sagte Olivia leise, lehnte sich mit der Hüfte gegen den Türrahmen und schaute zum Fernseher. Welche mürrische Hausfrau oder welcher hinterhältige Stiefvater war heute wohl zu sehen? Sie konnte nie verstehen, wie ihre Mutter, die dreizehn Stunden am Tag damit verbrachte, hochrangige Zeugen in Wirtschaftsprozessen zu befragen und Verträge zu interpretieren, in denen es um Milliarden ging, sich so für die Melodramen kitschiger Seifenopern begeistern konnte.
    »Guten Morgen«, erwiderte Bridget und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Ich dachte, wir könnten später vielleicht zusammen shoppen gehen.«
    Olivia drehte den Kopf vom Fernseher zurück zum Laufband, ihre Augen waren vor Schreck weit aufgerissen. »Was?«, fragte sie und versuchte sich daran zu erinnern, wann ihre Mutter das letzte Mal vorgeschlagen hatte, dass sie gemeinsam etwas unternahmen. »Ich meine, warum?«
    Bridget tippte auf der Armatur des Laufbandes herum, senkte die Steigung und verlangsamte ihre Geschwindigkeit auf ein schnelles Gehen. »Ich habe eine Einladung für Samstagabend«, sagte sie und griff nach den Hanteln. Ihre zarten Finger mit den manikürten Fingernägeln schlangen sich um die glänzenden Metallstangen. »Eine Cocktailparty in der Kanzlei, um mich – uns alle – in der Stadt willkommen zu heißen.«
    »Morgen?«, fragte Olivia, als hätte sie vielleicht schon andere Pläne. Es schien der einzig mögliche Ausweg.
    Bridget nickte. »All meine schicken Sachen sind noch in den Kartons.« Sie seufzte. »Und es ist schon eine Weile her, seit wir das letzte Mal für dich einkaufen waren. Was meinst du?«
    Olivia schob einen nackten Fuß hinter den anderen, ihr Blick verschwamm, während sie wie hypnotisiert auf den sich drehenden mechanischen Gurt starrte. Es war nicht eine Weile . Es war genau sieben Monate, zwei Wochen und drei Tage her.
    Das Einzige, worin Violet und ihre Mutter sich jemals einig gewesen waren, war die überwältigende Befriedigung, die durch das Anfassen von Dingen in ausgefallenen Läden erreicht wurde, durch das Anprobieren, durch das Einpacken und Nach-Hause-Tragen. Obwohl es kein Zeitvertreib war, an dem Olivia viel Interesse hatte, war sie oft mitgegangen, wenn auch nur, um Violet dabei zuzusehen, wie sie Bridgets konservativen Geschmack kritisierte. Es war die einzige Gelegenheit, bei der Bridget sich auf das Urteil ihrer exzentrischen Tochter verließ, und Olivia liebte es, ihre Mutter um Hilfe bitten zu sehen.
    Jetzt bekam sie regelrechte Bauchschmerzen bei der Vorstellung, wie sie beide ziellos zwischen irgendwelchen Boutiquen umherwanderten, nicht nur als Fremde in einer neuen Stadt, sondern zweifelsohne völlig verloren ohne die Führung ihres Shopping-Guru.
    »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Mir ist eigentlich gar nicht nach Party.«
    »Na ja, du musst natürlich nicht mitkommen«, sagte Bridget langsam. »Aber andererseits könnte es auch ganz nett sein.«
    Olivia verlagerte ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Jede Zelle ihres Körpers schrie danach, sich endlich ausruhen zu dürfen. Olivia wünschte sich nichts mehr, als endlich zurück in ihr Zimmer zu rennen, wo niemand von ihr verlangte, etwas zu tun, wie zum Beispiel shoppen zu gehen oder nett und freundlich zu sein.
    »Phoebe Greer wird mit ihrem Sohn dort sein«, fuhr Bridget fort. »Miles heißt er, glaube ich. Ich hatte sie gebeten, dass er dir die Schule zeigt. Hat er dich gestern gefunden?«
    »Ja«, brachte Olivia mühsam heraus.
    »Gut«, Bridget nickte. »Dann hast du bei der Party ja jemanden, mit dem du reden kannst.« Sie legte die Hand auf Olivias Schulter, während sie sich an ihr vorbeiquetschte, um in den schmalen Flur zu gelangen. »Aber«, sagte sie mit einem
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