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Dornroeschengift

Dornroeschengift

Titel: Dornroeschengift
Autoren: Krystyna Kuhn
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Zicken, deren Aufgabe darin besteht, die Gerüchteküche am Laufen zu halten und kichernd die Jungs anzuhimmeln. In jeder Gruppe findest du einen Star wie Ruven, um den sich alles dreht. Genauso einen Clown wie das Package und einen Sündenbock namens Jamaica und nicht zuletzt . . .« Ich sah noch immer sein Lächeln. ». . . gibt es einen Gerechtigkeitsfanatiker und Streber, der immer den Spielverderber spielen muss, so wie du.«
    Mike hatte nie Probleme gehabt, mir die Wahrheit ins Gesich t zu sagen. Darin unterschied er sich von unseren Eltern und – auch von mir . Ich blätterte in meinem Tagebuch. Im hinteren Teil bewahrt e ich Mikes E-Mails auf, die er mir aus Australien geschickt hatte . Ein paar hatte ich sogar eingeklebt. Wie immer, wenn ich ih n besonders stark vermisste, zog ich eine von ihnen hervor, u m sie zu lesen .
    Brisbane, Mik e Night on January 17th, 200 7 Stimmung: Der totale Hype ! Zitat des Tages: What you give is what you get !
    Hi little Princess, möchte dich ja nicht neidisch machen! Abe r wir haben hier 28 Grad! Und ihr das nächste Sturmtief. Wohe r ich das weiß? Schon mal was von www.wetter.com gehört? D a gebe ich einfach Rostock ein und schon weiß ich, was bei euc h klimatechnisch los ist: Windgeschwindigkeiten bis 225 km pr o Stunde! Sturmflut über der Ostsee ! Habt ihr euch auf den Sturm vorbereitet? Hat euch Hendrik s Kriegsverletzung am Knie rechtzeitig gewarnt? Haben Mam s Rosen überlebt? Die Bäume im Park standgehalten? Steh t Großvaters Eiche noch? He, ein irres Gefühl, darüber nachzudenken, während ich am Strand in der Sonne liege! Der total e Luxus: 28 Grad im Schatten ! Habe die ganze Woche am Hafen fleißig Kiwis verladen, bis ic h nur noch so krumm gehen konnte wie Hendrik. Du müsstes t mal die Spinnen sehen, die sich in den Kisten verkriechen! To m ist letztes Jahr von einem besonders giftigen Exemplar gebissen worden. Die sind lebensgefährlich! Seitdem leidet er fürchterlich unter Migräne, die manchmal mehr als zwei Tage an hält. Dann verkriecht er sich in seinem Zimmer und kommt erst wieder heraus, wenn es vorbei ist. Ansonsten ist er ein netter Typ und spricht bereits ganz gut Deutsch. Gott sei Dank, denn das Englisch hier ist völlig anders als unser Schulenglisch. Die Australier kürzen alles ab, sagen sogar Chrissie für Christmas. Übermorgen fahre ich mit Tom zum Osprey Reef. DAS Paradies für Taucher. Stell dir vor, da fällt das Riff bis tausend Meter ab. Ich kann es kaum noch abwarten. Mann, das wäre wirklich voll cool, wenn ich meinem ersten Hai begegnen würde. Tom begleitet mich, aber er hat kein Geld, sich eine Ausrüstung zu leihen. Ich würde ihn zu gerne einladen, aber ehrlich gesagt, bin ich selbst knapp bei Kasse. Ich habe mir nämlich eine Unterwasserkamera gekauft. Du weißt schon: TOPSECRET! Und sonst? Wie geht es der störrischen Jamaica? Oder Ruven & seinen Golden Girls? Nennen sie sich immer noch Ghostrider – und reden immerzu über Charaktere, Lebenspunkte, Energie und diesen Schwachsinn? Eh klar, bei euch auf der anderen Seite der Welt verändert sich nichts. Nur hier bei mir dreht sich die gute alte Erdkugel immer schneller, so aufregend ist das alles. Jedenfalls: Ha ye goin’? Stell dir vor, damit meinen die: How are you? Die spinnen, die Australier! Your brother Mike!
    Ich zog das Foto hervor, das Mike mitgeschickt hatte. Tom und er mit Lederhüten. Arm in Arm standen sie am Strand und winkten dem Fotografen zu. Darunter stand »Crocodile Dundee und ich!«. Ich schreckte hoch, als ich die schleppenden Schritte meiner Mutter auf der Treppe hörte. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir: Es war bereits kurz nach sechs. Wenn ich nicht zu spät zum Tanzkurs kommen wollte, musste ich mich beeilen. Ich schlug das Tagebuch zu, versteckte es schnell in der Pyjamahose und schob es zurück unter die Wäsche in der Kommode. Wenige Sekunden später stand Mam in der Tür. »Ich habe dich bereits dreimal gerufen.« »Nichts gehört. Ist Pa schon da?« »Er hat angerufen, es wird später. Er musste dringend zu einem Patienten.« »Und wie komme ich jetzt zum Tanzkurs?« »Tanzkurs?« Meine Mutter kniff müde die Augen zusammen. »Den habe ich total vergessen. Musst du da wirklich heute hin?« »Mam! Heute ist eine der letzten Proben vor dem Abschlussball!« »Dann muss ich dich eben fahren«, sagte sie zögernd. Ich drehte mich wortlos um. Ich hatte es satt, so satt, dieses schlechte Gewissen haben zu müssen. Sicher, sie sah müde und
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