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Dornroeschengift

Dornroeschengift

Titel: Dornroeschengift
Autoren: Krystyna Kuhn
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Hallenbad von Rostock , okay? Und können wir bitte das Thema wechseln? « Ich wollte nicht so harsch klingen, aber ich ertrug es einfac h nicht, über Mike zu sprechen, nicht mit ihr, nicht mit einer lis pelnden Schulpsychologin, mit niemandem. Gestern nicht , heute nicht und so lange nicht, bis . . . ja, bis was ? »Tut mir leid«, erwiderte Jamaica zerknirscht. Man konnte ge gen sie sagen, was man wollte, aber sie kapierte wenigstens so fort, was in mir vorging. »Was hat er denn nun gesagt? « »Wer? « Sie rollte theatralisch mit den Augen. »Na, Finn! « Bevor ich antworten konnte, betrat der Dunkelmann, unse r Physik-und Chemielehrer, den Raum. Mit diesem schlurfende n Gang, bei dem ich mich stets wunderte, wie er überhaupt vo m Fleck kam . Als er in dem für ihn typischen langsamen Tonfall den Unter richt begann, klinkte Jamaica sich aus. Ihr Gesicht drückte aus : Bin beschäftigt . Eine Trägheit zog ins Klassenzimmer ein, als hätte jemand ei n Schlafmittel über den Raum gekippt. Das allgemeine Gähnen steckte an und das Package nickte ein. Sein Kopf sank auf den Tisch. Ich startete ein paar halbherzige Versuche, gegen die allgemei ne Müdigkeit anzukämpfen und aufzupassen, aber es wollte mir nicht recht gelingen. Mein Kopf tat noch immer weh und meine Nase fing an zu laufen. Der Dunkelmann sprach gerade über die Anziehungskraft und die Abstoßung zwischen Stoffen und Materialien, als es plötz lich klopfte. Alle waren erleichtert über die Abwechslung, sogar der Dunkelmann. Ungewohnt energisch schritt er zur Tür, um sie zu öffnen. Zwei Polizisten standen im Zimmer. Einer von ihnen war Herr Berger, Carlottas Vater. Die Polizei. Mitten im Unterricht. Ich erstarrte und wollte mich vollständig auflösen, unsichtbar werden, einfach in der Luft verpuffen. Seit Monaten hatte ich Angst vor diesem Moment. Denn dass die Polizei hier war, konnte nur eines bedeuten. Sie hatten Mike gefunden.

Adventure Level I
    A ufgeregt begleitete der Dunkelmann die beiden Polizisten hinaus auf den Flur. Augenblicklich setzte Getuschel ein. Blicke trafen mich, aus denen Neugierde sprach. Allein Jamaica verlor nicht die Ruhe, sondern stand auf, um ei nen ihrer Stand-up-Raps zu improvisieren. Die Texte und Melo dien flogen ihr einfach zu. Es würde mich nicht wundern, wenn sie einmal als Rapperin Karriere machen würde. Jetzt bewegte sie sich geschmeidig wie eine Schlange zwischen den Bankreihen und faselte etwas von zwei Cops, Schock und Tagen, an denen du am besten nach dem Aufstehen dein Testa ment machst, denn er wird enden wie ein Actionthriller aus Hollywood. »Happy End ausgeschlossen«, wiederholte sie den Kopf Rich tung Fußboden gerichtet, während ihre langen braunen Hände sich auf- und abbewegten. Nur ein Teil der Klasse kicherte, der Rest verhielt sich unge wöhnlich ruhig. Carlotta griff unter der Bank nach Valeries Hand, während Ruven gleichgültig zum Fenster hinausstarrte. Ich saß noch immer regungslos an meinem Platz und jede Faser meines Körpers war angespannt. Mein Herz hämmerte so laut, dass ich glaubte, es müsste jeder hören. Die Tür öffnete sich und der Dunkelmann kam mit ungewöhnlich ernster Miene zurück. Die Polizisten waren im Flur geblieben. Ich erhob mich unwillkürlich, doch zu unserer Überraschung wandte er sich an Carlotta und Valerie: »Würdet ihr mich bitte begleiten?«
    Die beiden erhoben sich augenblicklich. Meine verkrampften Finger lösten sich, ich hatte gar nicht ge merkt, wie ich sie in die Tischkante gekrallt hatte. Erleichtert starrte ich Carlotta und Valerie nach, wie sie den Klassenraum zusammen mit Herrn Dunkelmann verließen. »Was ist da los?«, zischte Jamaica aufgeregt. Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.« »He, Ruven«, rief sie. »Haben die Golden Girls etwas angestellt?« Ruven grinste nervös, doch eine ausführliche Antwort blieb ihm erspart, da Herr Dunkelmann in der nächsten Minute zu rückkehrte und den Unterricht fortsetzte. Wenige Augenbli cke später war er bereits wieder in sein langsames Sprechtem po verfallen, das sich wie seine Schritte nur mühsam vorwärts bewegte. Jamaica kritzelte in ihrem Heft herum, notierte Textzeilen ihres Songs oberhalb der Definition der Lorentzkraft. Ruven saß, die Augen geschlossen, nach hinten gelehnt. Die Beine angewinkelt, bemerkte ich die neuen Chucks an seinen Füßen. Hellbraun und mit der Aufschrift: Dr. Romanelli. Kopier te er Finn? Und das Package legte wieder den Kopf auf den Tisch, um vor sich hin
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