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Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)

Titel: Donnerstags im Fetten Hecht: Roman (German Edition)
Autoren: Stefan Nink
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In jenem Moment, als Schatten das erste Mal dieses verräterische kleine »Wir« benutzte, hatte er es gewusst, oh ja. Und ihm war klar, was jetzt gleich kommen würde. Reiseerfahrung! Er! Siebeneisen war bislang genau dreimal verreist. Das erste Mal vor ein paar Jahren, wegen einer Wette – da hatte er unvorsichtigerweise behauptet, aus tausend Euro in Las Vegas ein kleines Vermögen zu machen, hatte eine Pauschalreise in die USA gebucht und war vor Ort anschließend jämmerlich gescheitert. Die zweite Reise war ein verlängertes Wochenende in einem arabischen Luxushotel gewesen, über das er einen Bericht für den Reiseteil des Oer-Erkenschwicker Tagesboten verfassen sollte (Siebeneisen hatte den Kurztrip in denkbar schlechter Erinnerung, was vor allem an den Nebenkosten lag, die sich in drei Tagen Sieben-Sterne-Resort gewissermaßen ohne sein Zutun angesammelt und am Ende an das Bruttosozialprodukt von Burkina Faso erinnert hatten). Und die dritte Reise? Ein Preis. Bei der Weihnachtstombola der Freiwilligen Feuerwehr, eine Woche im Bayerischen Wald, wo es dann ununterbrochen geregnet und der Bayerische Wald sich hinter einer Wand aus Wasser versteckt hatte. Den Rest der Welt kannte er lediglich aus seinen Büchern. Und den gelben National-Geographic -Heften, von denen er beinahe 120 komplette Jahrgänge besaß, die sich in sämtlichen Ecken seiner Wohnung zu statisch bedenklichen Gebilden türmten. Die ersten knapp tausend Magazine stammten von Flohmärkten, Antiquariaten und Internetauktionen; seit knapp drei Jahrzehnten war Siebeneisen selbst Abonnent. Aus den gelben Heften wusste er, dass es am Amazonas hochtoxische Winzfrösche gab und in Nevadas Wüste Felsbrocken, die über Nacht zu wandern schienen, ohne dass jemand wusste, weshalb. Er hatte Reportagen über die Brutpflege bei isländischen Papageientauchern gelesen und kannte sich ein bisschen aus mit der Herstellung von Schrumpfköpfen auf Papua-Neuguinea. Wie ihn all sein theoretisches Wissen allerdings befähigen sollte, kreuz und quer auf der Welt Menschen aufzuspüren, war Siebeneisen schleierhaft. Das war ein Job für einen Privatdetektiv, mindestens. Oder einen Agenten.
    »Und dieser Jemand unter uns spricht außerdem ein besseres Englisch als jeder Ire.« Schattens Bemerkung unterbrach Siebeneisens Gedankenfluss. Er sah, wie der Ire seinem Kumpel Wipperfürth verschwörerisch zuzwinkerte. Anschließend drehte Schatten seinen massigen Körper wieder theatralisch zu Siebeneisen.
    »Meine Damen und Herren, lassen Sie mich Ihnen unseren Kandidaten vorstellen: Aufgewachsen unmittelbar neben einem NATO -Fliegerhorst, der Vater, Hausmeister dort, nahm den Jungen an Wochenenden und in den Ferien regelmäßig mit zur Arbeit, deswegen schon sehr früher und intensiver Kontakt mit dem englischen Idiom unterschiedlichster Herkunft. Folgerichtig ein feines Gespür für amerikanische, irische und bestimmt auch australische Akzente. Außerdem …«
    »Außerdem im besten Alter.« Wipperfürth fiel Schatten ins Wort. Wenn Siebeneisen es nicht besser gewusst hätte, wäre er sich sicher gewesen, dass die beiden sich abgesprochen hatten.
    »Nach eigenem Bekunden in letzter Zeit gelangweilt von seinem Job bei einer hiesigen Publikation«, fuhr Schatten fort, »leider aber etwas antriebslos, was Veränderungen angeht. Verfügt über ein enzyklopädisches Wissen in den Bereichen Ethnologie, Biologie, Virologie und etlichen anderen Ologien.«
    »Trotzdem furchtlos«, log Wipperfürth.
    »Keine bekannten Krankheiten«, ergänzte Schatten.
    »Einnehmendes Äußeres.«
    »Etwa eins fünfundachtig groß, fast noch volles Haar, lediglich angedeuteter Bauchansatz.«
    »Nervenstark.«
    »In sich ruhend.«
    »Zuverlässig.«
    »Unbescholten.«
    »Ungebunden.«
    »Genau, keine schreienden Kinder oder gebrechliche Eltern, um die er sich kümmern muss.«
    »Und sowieso urlaubsreif.«
    »Es reicht!«, ging Siebeneisen dazwischen. »Können wir mal bei der Sache bleiben?«
    Wipperfürth und Schatten verstummten.
    »Darf ich das von eben nochmal in meinen Worten wiederholen?«, fragte Siebeneisen und sah Schatten an, »du willst mich um die halbe Welt jagen, damit ich deine Miterben finde? Menschen, von denen wir im Moment bis auf eine Ausnahme, von der wir wissen, dass sie Fritten in Australien verkauft, noch nicht einmal ahnen, auf welchem Erdteil sie sich befinden?«
    Schatten nickte zustimmend. Siebeneisen brachte das erst richtig in Fahrt.
    »Menschen, die O’Shady heißen wie
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