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Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt

Titel: Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt
Autoren: Ralf Isau
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Größe sicher in nichts nachstand.« Zorbas deutete mit verschmitztem Lächeln auf Gulloths Haupt. »Dein Gefährte wird dich nachher auf seinen Schwingen umso kraftvoller durch den Äther tragen. Nur solltest du dich nicht heimlich davonstehlen.«
    »Keine Angst«, wiegelte Taramis ab. »Mir steckt noch das Antischgift in den Knochen, und ich bin sehr erschöpft. Am liebsten würde ich mich sofort aufs Ohr hauen.«
    »Das verstehe ich. Aber die Menschen hier wollen ihren Retter sehen, wenn sie seinen Sieg besingen. Ich verspreche dir, dass du dich nicht verausgaben musst. Die Frauen werden dich waschen, deine Wunden verbinden und dir ein Festgewand anziehen.«
    Taramis räusperte sich verlegen. »Du bist zu gütig, Zorbas, aber in der Tempelgarde von Jâr’en lernen wir, uns um solche Dinge selbst zu kümmern.«
    »Ist das der wahre Grund für deine Zurückhaltung?«, entgegnete der Alte mit wissendem Lächeln. »Oder willst du nur nicht die Leidenschaft zu einem anderen Weib in dir entbrennen lassen, weil du dein Herz schon meiner hübschen Nichte geschenkt hast?«
    »Marnas sagt, wer sich verwöhnen lässt, wird leicht verwöhnt.«
    Zorbas lachte. »Ich kenne den Kodex der Tempelwächter. War ja selbst einmal Hüter von Jâr’en, bevor ich das Amt an deinen Meister weitergab. Also, von mir aus. Mach wieder einen Menschen aus dir, und dann nimm beim Fest den Ehrenplatz zu meiner Rechten ein. Morgen früh darfst du meinetwegen in die Arme deiner Liebsten zurückkehren. Ich bin sicher, mein Bruder wird dir gerne ihre Hand überlassen.« Der Häuptling zwinkerte. »Und bestimmt noch ein bisschen mehr.«
    Es war ein lauer Abend im Spätfrühling. Überall zwischen den Rundhütten brannten Feuer. Auf manchen drehten sich noch Spieße mit halb zerpflückten Braten. Es roch verführerisch nach knusprigem Fleisch und anderen Köstlichkeiten. Mit den Düften vermischten sich die Klänge. Die Nacht war erfüllt davon. Hier hörte man das monotone Bum-bum-bum-bum der Festtrommeln, dort fröhlichen Gesang und immer wieder befreites Lachen. Obwohl es längst auf Mitternacht zuging, war das ganze Dorf noch auf den Beinen. Selbst die Kleinsten feierten den jungen Helden oder tanzten auf dem zentralen Dorfplatz um die Stange mit dem gewaltigen Antischhaupt.
    Am Rande des Geschehens saßen Taramis, der Häuptling und die Stammesältesten auf mehreren Lagen Fell, die man für sie auf dem Boden ausgebreitet hatte. Der junge Held übte sich in der für ihn typischen Zurückhaltung. Nicht einmal das perlenbestickte Festgewand hatte Taramis angelegt, um nicht für einen eitlen Pfau gehalten zu werden. Bescheidenheit gehörte zu den Tugenden, die Marnas ihn gelehrt hatte.
    Statt des bunten Hemdes trug Taramis über der nicht ganz knielangen Tunika den leichten Lederharnisch der Tempelgarde. Den dicken Jagdzopf hatte er wieder in die sieben kleineren Haarflechten aufgelöst. Seine Füße steckten in weichen, zeridianischen Mokassins. Auf das Schwert Malmath, das gewöhnlich an seinem breiten Gürtel hing, hatte er verzichtet, um sich nicht allzu martialisch zu geben. Ez indes lag an seiner Seite. Zum Schutz der Unbedachten, die gerne einmal den legendären, auch als Flamme Gaos bekannten Stab anfassten, hatte er ihn wie gewöhnlich in ein schwarzes Futteral aus Leder gesteckt.
    Seit Beginn des Festes zwang sich Taramis zum Lächeln. Sein Gesicht schmerzte von der albernen Grimasse. Wenigstens war die bleierne Schwere des Antischgifts nun völlig aus seinen Gliedern gewichen. Die heilenden Kräuter der Insel hatten wahre Wunder gewirkt. Nur die Sorge um Xydia konnten sie nicht vertreiben. Von Stunde zu Stunde wurde sie quälender.
    Als der Genuss vergorener Stutenmilch bereits manche Hemmung fortgespült hatte, sammelte sich eine Gruppe junger Verehrerinnen vor dem Helden, um ihn zum Gemeinschafstanz einzuladen. Besonders mutig war ein stattliches, pralles Mädchen von vielleicht siebzehn Jahren. Es beugte sich ziemlich weit zu Taramis herab, als wolle es seine Aufmerksamkeit auf die festen Brüste lenken, die im sich kräuselnden Halsausschnitt erschreckend gut zur Geltung kamen. Die schwarzen Zöpfe umspielten sein Gesicht und ein schielendes Augenpaar fixierte ihn wie einen Fisch am Seegrund, als es mit rauchiger Stimme fragte: »Möchtest du mit uns tanzen?«
    »Das werde ich«, antwortete Taramis. Endlich sah er seine Chance zur Flucht gekommen. Er entschuldigte sich bei Zorbas, stemmte sich, auf seinen Stab gestützt, mit
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