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Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Titel: Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
Autoren: Christian Fuchs , John Goetz
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Stadt, geprägt durch die alte Universität und durch die Unternehmen, die Absolventen der Universität gegründet haben. Seit 1558 gibt es die Universität Jena, inzwischen ist sie nach Friedrich Schiller benannt, der hier lehrte. Die Romantiker Novalis, Friedrich Hölderlin, Clemens Brentano studierten in Jena, auch Karl Marx. Und Otto Schott und Carl Zeiss, die später in Jena zwei Unternehmen gründeten, die zu Weltmarktführern der Optik- und Glasindustrie wurden.
    In der Zeit der Weimarer Republik sind KPD und SPD stark in Jena, die Parteien der Arbeiter aus den Werken von Schott und Zeiss, die Nazipartei NSDAP hat in Jena ihre schlechtesten Wahlergebnisse in ganz Thüringen. Nachdem die U.S. Army Jena nach dem Zweiten Weltkrieg befreit hat, zieht die Rote Armee in der Stadt ein. Seit den siebziger Jahren ist Jena auch eine Stadt der Opposition in der DDR.
    Eines Tages ruft Horst Petzold in der Zahnarztpraxis an, in der seine Frau angeblich arbeitet. Dort hat man sie nie gesehen. Zudem erzählen Nachbarn, dass A. ihn mit anderen Männern betrügt.
    Jetzt reicht es Horst Petzold. Am Abend stellt er Beate Zschäpes Mutter Annerose zur Rede.
    «Pack deinen Krempel zusammen und hau ab!» Mit diesem Satz schmeißt Petzold seine Frau aus der gemeinsamen Wohnung. Er wird sie erst vor Gericht wiedersehen, zum Scheidungstermin. Annerose nimmt Beate mit, die fast zwei Jahre alt ist. Anderthalb Jahre hat Petzold das Mädchen großgezogen.
    «Mit dem Kind war ich länger zusammen als mit der Mutter», sagt Horst Petzold heute. Er sitzt auf einem Sessel in seinem Haus und schüttelt den Kopf. Dann schaut er aus dem Fenster in seinen Garten, überlegt lange. Er könne bis heute nicht verstehen, sagt er, wie Annerose das geschafft hat, wie sie ihr eigenes Kind so im Stich lassen konnte, ganz am Anfang seines Lebens.

9
    Omakind
    So wie Beate Zschäpes Kindheit beginnt, sollte sie weitergehen. Ihre Mutter heiratet neu, lässt sich nach drei Jahren wieder scheiden. Einen richtigen Vater, so sagt die Mutter den Ermittlern später, wird Beate nie bekommen.
    In den ersten drei Jahren ihres Lebens hat sie drei Namen: Zuerst den Namen der Mutter, später den Namen des Stiefvaters und dann Beate Zschäpe. Als sie 2011 in U-Haft sitzt, stellt die Bundesanwaltschaft fest, dass Beate Zschäpe in ihrem späteren Untergrundleben mindestens elf verschiedene Namen benutzt hat.
    In den 15 Jahren bis zur Wende zieht Beate sechsmal mit ihrer Mutter in Jena und Umgebung um. Die letzte gemeinsame Wohnung ist nur ein Zimmer mit Schlafnische, das sich Mutter und Tochter teilen. Sie haben nie viel Geld, Beate lernt früh, mit wenig auszukommen, sparsam zu sein.
    «Beate war eigentlich ein liebes, nettes Mädchen. Sie hat sich immer mal Überraschungen überlegt, oder Gedanken gemacht, wie sie jemandem eine Freude machen kann», sagt ihre Mutter.
    In der Schule war sie beliebt, hatte immer viele Freundinnen, die sie oft zu Hause besuchen kommen. Ab der 4. Klasse besuchte sie die Polytechnische Oberschule «Goetheschule» in Jena-Winzerla. Ihre Noten waren nicht schlecht, aber bis zur Klassenbesten gab es auch noch genügend Luft nach oben.
    Schon als kleines Mädchen sei Beate selbstbewusst gewesen, und wenn sie etwas wollte, sorgte sie dafür, dass sie es bekam, sagt ihre Mutter. Sobald Beate zu etwas keine Lust mehr hatte, machte sie es auch nicht mehr.
    Mit neun Jahren fängt Beate an zu fechten. Ab 1984 trainiert sie regelmäßig und ist auch gar nicht schlecht darin. Als sie eine Lungenentzündung bekommt, verbietet ihr der Arzt, zum Training zu gehen – ein halbes Jahr lang muss sie aussetzen. Als sie wieder gesund ist, soll sie in einer anderen Gruppe weitertrainieren. Das will sie auf gar keinen Fall, lieber hört sie mit dem Fechten auf.
    Das Verhältnis zu ihrer Mutter wird mit den Jahren immer schlechter. Beate Zschäpe ist selten zu Hause. Immer wieder wird sie beim Schwarzfahren und Klauen im Supermarkt erwischt. Wenn Beate abends nach Hause kommt und die Mutter mit ihr reden will, knallt das Mädchen die Tür ihres Zimmers hinter sich zu.
    «Da ging unser Drama los», sagt die Mutter. Die Situation verschärft sich noch, als die Mutter nach der Wende ihre Stelle als Buchhalterin beim Kombinat VEB Carl Zeiss Jena verliert und arbeitslos wird. Sie ist von der Kündigung geschockt, sitzt nur noch zu Hause, wie gelähmt. Das Geld wird auch immer knapper.
    Der Freund, den Annerose A. nun hat, kommt mit ihrer Tochter nicht klar. Es gibt
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