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Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Titel: Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall
Autoren: Roman Rausch
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eigentliche Grund meines Eindringens, ein Papyrus, den ich unter keinen Umständen anfassen oder gar lesen sollte. Er wäre in alten lateinischen Lettern geschrieben und sage nichts weiter aus.
    Und wieso dann das Ganze?, hatte ich ihn gefragt. Wieder erntete ich Schweigen und schließlich den Verweis auf die Belohnung, die mich nach sofortiger Übergabe des Zylinders mit Inhalt an ihn erwarten würde. Das sollte reichen. Und es tat es. Es interessierte mich zu diesem Zeitpunkt tatsächlich nicht, was es mit dem Papyrus auf sich hatte.
    Ich ging Regal um Regal durch. Nicht eine Spur von Gold oder staubigem Papier aus antiker Zeit. Im Gegenteil, kein Fussel und kein Stäubchen beleidigten die stoffbespannten Regale und den steril scheinenden Fußboden. Ich musste vorsichtig sein, meine früheren Kollegen vom Erkennungsdienst würden leichtes Spiel haben, wenn ich nur ein Haar verlöre. Anhand dessen Wurzel hätten sie im Handumdrehen dankbares Material für einen DNA-Vergleich in der neu eingerichteten und mit Akribie gepflegten Datenbank des BKA. Natürlich waren dort auch die Daten aller ermittelnden Beamten in Deutschland gespeichert, wie sonst hätte man die Spuren eines Täters von denen eines Beamten am Tatort unterscheiden können.
    So bewegte ich mich auf Zehenspitzen über den Flor, um keine Rückschlüsse auf Schuhgröße und Form zu hinterlassen, und suchte jeden Körperkontakt mit dem Inventar zu vermeiden. Die Klamotten, die ich mir für den Bruch aus meiner Kleidersammlung ausgesucht hatte, hatte ich hier in Würzburg noch nie getragen, und sie würden anschließend einer sofortigen Feuerbestattung zugeführt werden. Ich hatte also an alles gedacht – dachte ich.
    Ich musste grinsen, als ich mir das Gesicht Oberhammers vorstellte, wie er seinen Leuten wutschnaubend Unfähigkeit und Dilettantismus bei der Spurensicherung vorwarf. Mein Gott, was war ich dankbar, dieses Gesicht nie wieder sehen zu müssen.
    Doch zuvor galt es diesen verdammten Zylinder ausfindig zu machen. Wo war er nur? Hatte sich Nikola getäuscht, war er schon längst überführt worden, oder befand ich mich im falschen Raum? Ich ging meine Aufzeichnungen durch. Alles stimmte. Die Tür, das Schloss, die Zahlenkombination, der Raum. Ich schaute mich um, durchsuchte jede Ecke, stieg auf einen Stuhl, überprüfte die Deckplatte eines Schrankes, bis mir die kleine unscheinbare Kiste in der Ecke auffiel. Gewöhnliche Holzspanplatten waren an den Seiten mit billigen Scharnieren zusammengehalten, und auf dem Deckel langweilte sich ein Fahrradschloss, das aus der guten alten Zeit zu stammen schien. Ich kniete mich hin, packte es mit beiden Händen und rüttelte daran. Es hielt. Ein Schlüssel war nirgends auszumachen. Das hätte auch noch gefehlt. Dann hätte Nikola auch gleich die Putzfrau engagieren können. Für sie hätte ein Segen gereicht. Ich verließ den Raum und kehrte wenig später mit Büroklammern bewaffnet zurück. Ich fieselte einen auseinander gebogenen Schenkel des Allroundwerkzeugs der Schreibtischhengste in das Schlüsselloch und versuchte, den Widerstand zu erfühlen. Das wäre ja gelacht. Früher hatte ich derartig lächerliche Vorrichtungen mit meinem Schulzirkel und einer Kugelschreibermine gleich auf dem Schulhof geknackt, um wenig später im Sattel meines neuen Gefährts die Straßen unsicher zu machen. Doch dieses alte, miese Ding hier wollte ums Verrecken nicht nachgeben. Ein ums andere Mal verbog sich der Schenkel, und ich musste ihn gerade biegen und neu ansetzen.
    Jetzt tat sich was. Der Backen im Inneren des Schlosses gehorchte. Ich ließ nicht locker, konzentrierte meine ganze Kraft auf die Fingerspitzen und rutschte ab. Ich hätte aufschreien können, schluckte aber den Schmerz hinunter, als sich die Büroklammer in meinen Handschuh bohrte. Keine Sekunde später verfärbte er sich rot. Verdammt, nur nichts zu Boden tropfen lassen, schoss es mir durch den Kopf. Diese Spuren hätte ich nie wieder aus dem Teppichflor herausgebracht. Also steckte ich die Hand mitsamt der Büroklammer in die Hosentasche und schwor mir, sie nicht mehr herauszuziehen, bis ich den Raum, die Büros, den Gang und die Residenz hinter mir gelassen hätte.
    Nun half nur noch pure Gewalt. Im Büro vor der Tür fand ich in einer Schublade eine Schere, setzte sie in den Bügel des Schlosses und stemmte mich hinein. Der Bügel brach.
    Ich öffnete den Deckel mit einer Hand, griff zur Taschenlampe und sah den Zylinder auf Stoff gebettet. Er trug
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