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Die Wilden Hühner

Die Wilden Hühner

Titel: Die Wilden Hühner
Autoren: Cornelia Funke
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schon durch den Maschendraht lugte. Dass die Welt wild und aufregend war. Es liegt an ihrer Stimme, dachte Frieda. Irgendwie macht sie es mit ihrer Stimme. Sprottes Stimme war immer ein bisschen rau, und wenn sie wollte, konnte sie einem damit wie mit Schmirgelpapier über die Haut streichen.
    »Ach, komm. Mach's nicht so spannend«, sagte Melanie. Sie befreite sich, wie immer, als Erste von dem Bann. 
    Sprotte schüttelte den Kopf. »Morgen.« 
    »Ist gut. Ich muss jetzt sowieso nach Hause«, sagte Frieda. »Luki hat Hunger.« Und hastig lief sie zum Kinderwagen.
    »Okay.« Melanie und Trude standen auch auf. »Igitt!«, rief Melanie und guckte entsetzt auf ihre Füße. »Eins von den blöden Hühnern hat mir auf den Schuh gekackt.« 
    »Es hat sich eben den vornehmsten Schuh ausgesucht.« Sprotte kicherte.
    Beleidigt drehte Melanie ihr den Rücken zu. »Bis morgen! Komm, Trude.«
    »Bis morgen«, sagte Trude und trottete eilig hinter Melanie her.
    Vor dem Gartentor suchte Frieda schon wieder Lukis Schnuller. »Kommst du nicht mit?«, rief sie Sprotte zu. Luki brüllte wie am Spieß.
    Sprotte schüttelte den Kopf. »Ich bleib noch hier. Mama fährt sowieso noch Taxi.«
    Erleichtert fischte Frieda den Schnuller unter der Hecke hervor. Ein altes Bonbonpapier klebte dran. 
    »Na, dann!«, sagte sie. »Mach's gut. Bis morgen.« Und schob mit dem Kinderwagen davon.
    »Bis morgen«, murmelte Sprotte. Sie stellte die Tassen und den kalten Tee auf ein Tablett, schüttelte die Tischdecke aus und suchte besorgt nach Flecken. Auf der einen Seite wimmelte es nur so von Schokoladenfingern. Mist. Warum musste Trude auch in einem fort was essen? Hastig lief Sprotte mit der Decke ins Haus und weichte sie ein. Dann brachte sie den Tisch und die Stühle zurück in den Schuppen und sah sich um. Nein. Selbst Oma Slättbergs scharfe Augen hätten von dem Bandentreffen der Wilden Hühner keine Spur mehr entdeckt. 
    Sprotte holte eine Hand voll Hühnerfutter und hockte sich auf einen umgestülpten Eimer zwischen die Hennen. Eilig kamen sie herangewackelt, pickten nach Sprottes Fingern, zupften an ihren Schuhbändern und zwinkerten mit ihren hellen Knopfaugen.
    Sprotte musste lachen. Hühner waren einfach zu komisch. Nachdenklich zog sie die Schlüssel und den Zettel ihrer Oma aus der Hosentasche. Die Hennen schielten neugierig zu ihr hoch, pickten nach dem hellen Papier. 
    »Komisch«, murmelte Sprotte und wendete den schwarzen Schlüssel hin und her. »Wirklich komisch.« Dann holte sie sich drei Eier aus dem Stall, zog ein paar Kartoffeln aus der Erde und machte sich was zu essen. 

4. Kapitel

    Am nächsten Nachmittag hatte Frieda babyfrei und außerdem hatten sie kaum Schularbeiten auf. Also ideale Bedingungen für ein wunderbares Bandentreffen. 
    Um drei Uhr saßen sie alle gespannt um Oma Slättbergs Küchentisch herum und warteten auf Sprottes Geheimnis. Durch das offene Küchenfenster schien die Sonne herein, eine Elster schimpfte irgendwo und die Bienen summten in der Linde vor dem Haus.
    Sprotte räusperte sich, guckte in die Runde - und schwieg noch ein paar wirksame Sekunden lang, um die Spannung zu steigern.
    »Na, nun leg schon los«, sagte Melanie ungeduldig. 
    »Ja, bitte!«, sagte Trude mit vollem Mund. Sie verdrückte gerade ein gewaltiges Wurstbrötchen. 
    »Soll ich noch Tee kochen?«, fragte Sprotte. 
    »Nein«, sagte Frieda und grinste. »Fang endlich an.« 
    Sprotte griff in die Hosentasche, holte Oma Slättbergs Schlüssel und den Zettel heraus und legte beides mit bedeutsamer Miene auf den Tisch. Dann las sie den Zettel, etwas gekürzt, vor.
    »Na, du scheinst ja 'ne nette Oma zu haben«, sagte Melanie, als Sprotte fertig war.
    »Das Geheimnis ist der schwarze Schlüssel, nicht wahr?«, fragte Trude mit gedämpfter Stimme. Ihre Augen waren vor Aufregung rund wie Mantelknöpfe. Für ein paar Augenblicke hatte sie sogar ihr Brötchen vergessen. 
    »Gestern Abend, als ihr weg wart, hab ich alle Schlösser ausprobiert, die ich finden konnte«, sagte Sprotte. »Nichts.« »Meinst du, deine Oma hat hier irgendwo einen Schatz versteckt?«, flüsterte Trude.
    »Mensch, wieso flüsterst du denn so?«, fragte Melanie. »Glaubst du, Sprottes Oma steht im Schrank, oder was?« Trude wurde rot und biss sich auf die Lippen.
     »Wahrscheinlich ist es kein Schatz, sondern eine völlig vergammelte Leiche«, sagte Frieda. »Ist dein Opa ganz plötzlich verschwunden oder so was?« 
    »Blödsinn!« Ärgerlich
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