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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure
Autoren: Iny Lorentz
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besserbefunden, mich zu seinem Sekretär und schließlich zum Advocatus ausbilden zu lassen.«
    Nicht jeder Bastard eines hohen Herrn wurde so bevorzugt behandelt, also musste Ruppert etwas Besonderes sein, dieser Gedanke stand den biederen Städtern auf die Stirn geschrieben. Der Advokat genoss die Bewunderung der übrigen Gäste, wenn sie ihn auch beinahe schmerzhaft daran erinnerte, wie es wirklich gewesen war.
    Heinrich von Keilburg hatte sich weder bei seiner Geburt noch in den Jahren danach für ihn interessiert, und so hatte er seine Kindheit mit harter Arbeit und schmaler Kost gefristet und mit anderen leibeigenen Dienern in einem abgelegenen, zugigen Winkel der Burg gehaust. Erst als der Burgkaplan dem Grafen berichtete, welch klugen Kopf sein Bastardsohn auf den Schultern trug, wendete sich sein Geschick. Heinrich rief ihn nicht einmal zu sich, sondern beschränkte sich darauf, einen einzigen Befehl zu erteilen, doch der hatte weitreichende Konsequenzen. Der Burgkaplan brachte ihn zu den für ihre Strenge bekannten Mönchen des Klosters Waldkron und fragte einmal im Jahr nach, welche Fortschritte er gemacht habe. Das Leben im Kloster war noch härter als das auf der Burg. Man unterrichtete ihn nur am Rande in Theologie und prügelte stattdessen Grammatik, Rhetorik und die Grundlagen der Juristerei in ihn hinein.
    Trotz der Hiebe, dem viel zu knapp bemessenen Essen und dem zugigen Hängeboden, auf dem er hatte schlafen müssen, wäre Ruppert gern bei den Mönchen geblieben, denn als Bastard Heinrichs von Keilburg hätte er es bis zum Prior oder Abt eines wohlhabenden Klosters mit großen Einkünften bringen können. Heinrich von Keilburg hatte sich jedoch eines Tages an ihn erinnert und ihn zurückgeholt, um sich seiner eine Weile als Schreiber zu bedienen und ihn dabei zu prüfen.
    In der Vergangenheit hatte der Graf schmerzhaft erfahren müssen, dass Paragraphen und Gesetze schärfere Waffen sein konntenals Schwerter, und nun wollte er einen Advokaten besitzen, der ihm in allen Belangen zu Willen war. Deswegen schickte er seinen Bastardsohn schon bald auf die erst wenige Jahre zuvor gegründete Universität in Heidelberg, wo er Rechtswissenschaften studieren sollte. Da der Graf sein Geld nicht zum Fenster hinauswerfen wollte, gab er ihm einen bulligen Diener mit, der mit dem Stock dafür zu sorgen hatte, dass der Junge sein Studium ernst nahm. Das wäre jedoch nicht nötig gewesen, denn Ruppert war bewusst, dass das Leben ihm nur einmal eine Chance wie diese bot, und setzte von sich aus alles daran, Erfolg zu haben. So konnte er seinen Vater mit einem Summa cum laude – der bestmöglichen Note – überraschen.
    In der Folgezeit diente Ruppert Graf Heinrich und gelegentlich auch dessen Freund Hugo, dem Abt des Klosters Waldkron, als Advokat und gewann schließlich einen Prozess nach dem anderen. Doch der Lohn für seinen Einsatz blieb weit hinter seinen Erwartungen zurück. Graf Heinrich gab nur selten Geld aus, außer für sich selbst. Sogar sein Sohn Konrad wurde mit einem Bettel abgespeist, der ihm kaum ein standesgemäßes Auftreten ermöglichte, doch als rechtmäßiger Nachkomme musste er wenigstens nicht hungern.
    Der Magister ließ seinen Blick über die Reste des üppigen Mahls schweifen und drehte nachdenklich einen Weinpokal aus Kölner Schlangenglas in der Hand, in den Halbedelsteine eingesetzt waren. Nach diesem Tag würde er so leben können, wie es ihm behagte, und in Genüssen schwelgen, die er bis jetzt nur vom Hörensagen kannte.
    Ein Klopfen an der Tür riss Ruppert aus seiner Vorfreude. Marie trat ein, blieb aber scheu an der Tür stehen und hob die Hand, um Meister Matthis’ Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Als er sie brummend ansah, errötete sie und strich sich nervös über das einfache graue Hauskleid. »Verzeih, Vater, wenn ich Euch störe. Wir konnten Linhard nirgends finden. Die Fuhrknechte habendie Stoffballen mitten im Hof liegen lassen, und es dürfte bald regnen. Jemand muss eine Plane darüber decken.«
    Holdwin, der Leibdiener des Hausherrn, stellte die Kanne ab, aus der er gerade dem Leinweber eingeschenkt hatte, und eilte zur Tür. Der Schreiber aber streckte die Beine von sich und winkte ab. »Es wird diese Nacht schon nicht regnen.«
    Meister Matthis warf seiner Tochter einen dankbaren Blick zu. »Die Ware ist zu wertvoll, um etwas zu riskieren. Also geh, Linhard, und hilf dem Knecht. Marie kann derweil unsere Pokale füllen. Meiner ist schon wieder leer.«
    Das
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