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Die Verlorene Ehre der Katerina Blum

Die Verlorene Ehre der Katerina Blum

Titel: Die Verlorene Ehre der Katerina Blum
Autoren: Heinrich Böll
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Blorna beim Betreten einer privaten Pfandleihe zu fotografieren, dann, offenbar durchs Schaufenster fotografiert, den Lesern der ZEITUNG Einblick in die Verhandlungen zwischen Blorna und dem Pfandleiher zu geben: es wurde dort über den Leihwert eines Ringes verhandelt, den der Pfandleiher mit einer Lupe begutachtete. Unterschrift des Bildes: “Fließen die roten Quellen wirklich nicht mehr, oder wird hier Not vorgetäuscht?”

53.
    Blornas größte Sorge ist, Katharina so weit zu bringen, dass sie bei der Hauptverhandlung aussagen wird, sie habe erst am Sonntagmorgen den Entschluss gefasst, sich an Tötges zu rächen, keineswegs mit tödlicher, nur mit abschreckender Absicht. Sie habe zwar bereits am Samstag, als sie Tötges zu einem Interview einlud, die Absicht gehabt, ihm tüchtig die Meinung zu sagen und ihn darauf aufmerksam zu machen, was er in ihrem Leben und im Leben ihrer Mutter angerichtet habe, aber töten wollen habe sie ihn nicht einmal am Sonntag, nicht einmal nach Lektüre des Artikels in der SONNTAGSZEITUNG. Es soll der Eindruck vermieden werden, Katharina habe den Mord tagelang geplant und auch planmäßig ausgeführt. Er versucht ihr – die angibt, schon am Donnerstag nach Lektüre des ersten Artikels Mordgedanken gehabt zu haben – klarzumachen, dass manch einer, auch er, gelegentlich Mordgedanken habe, dass man aber den Unterschied zwischen Mordgedanken und Mordplan herausarbeiten müsse. Was ihn außerdem beunruhigt: dass Katharina immer noch keine Reue empfindet, sie deshalb auch nicht vor Gericht wird zeigen können. Sie ist keineswegs deprimiert, sondern irgendwie glücklich, weil sie “unter denselben Bedingungen wie mein lieber Ludwig” lebt. Sie gilt als vorbildliche Gefangene, arbeitet in der Küche, soll aber, wenn sich der Beginn der Hauptverhandlung noch hinauszögert, in die Wirtschaftsabteilung (Ökonomie) versetzt werden; dort aber, so ist zu erfahren, erwartet man sie keineswegs begeistert: man fürchtet – auf Verwaltungs- und auf Häftlingsseite – den Ruf der Korrektheit, der ihr vorangeht. und die Aussicht, dass Katharina möglicherweise ihre ganze Haftzeit – man rechnet damit, dass fünfzehn Jahre beantragt werden und dass sie acht bis zehn Jahre bekommt – im Wirtschaftswesen beschäftigt werden soll, verbreitet sich als Schreckensnachricht durch alle Haftanstalten. Man sieht: Korrektheit, mit planerischer Intelligenz verbunden, ist nirgendwo erwünscht, nicht einmal in Gefängnissen, und nicht einmal von der Verwaltung.

54.
    Wie Hach Blorna mitteilte, wird man die Mordanklage gegen Götten wahrscheinlich nicht aufrechterhalten können und also nicht erheben. dass er aus der Bundeswehr nicht nur desertiert ist, sondern diese segensreiche Einrichtung außerdem erheblich geschädigt hat (auch materiell, nicht nur moralisch), gilt als erwiesen. Nicht Bankraub, sondern totale Ausplünderung eines Safes, der den Wehrsold für zwei Regimenter und erhebliche Geldreserven enthielt, außerdem Bilanzfälschung, Waffendiebstahl. Nun, man muss auch für ihn mit acht bis zehn Jahren rechnen. Er wäre dann bei seiner Entlassung etwa vierunddreißig, Katharina wäre fünfunddreißig, und sie hat tatsächlich Zukunftspläne: sie rechnet damit, dass sich ihr Kapital bis zu ihrer Entlassung erheblich verzinst und will dann “irgendwo, natürlich nicht hier, ein Restaurant mit Traiteurservice” aufmachen. Ob sie nun als Göttens Verlobte gelten darf, das wird wahrscheinlich nicht an höherer, sondern an höchster Stelle entschieden. Entsprechende Anträge liegen vor und sind auf dem langen Marsch durch die Instanzen. Übrigens handelte es sich bei den Telefonkontakten, die Götten von Sträubleders Villa aus aufnahm, ausschließlich um Bundeswehrangehörige oder deren Frauen, darunter Offiziere und Offiziersfrauen. Man rechnet mit einem Skandal mittleren Umfangs.

55.
    Während Katharina fast unangefochten, lediglich in ihrer Freiheit eingeschränkt, der Zukunft entgegensieht, befindet sich auch Else Woltersheim auf dem Weg in eine sieh steigernde Verbitterung. Es hat sie sehr getroffen, dass man ihre Mutter und ihren verstorbenen Vater diffamierte. der als Opfer des Stalinismus gilt. Man kann bei Else Woltersheim verstärkte gesellschaftsfeindliche Tendenzen feststellen, die zu mildern nicht einmal Konrad Beiters gelingt. Da Else sich immer mehr aufs kalte Buffet spezialisiert hat, sowohl, was die Planung wie Erstellung und Überwachung betrifft, wendet sich ihre Aggressivität
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