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Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)

Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
Autoren: Annette Dutton
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Schellenkens – tot. Schwester Agathe. Schwester Angela vor dem Altar. Die Hostien neben ihr, voller Blut. Schwester Agnes auf ihrer Veranda. Pater Rütten und Bruder Bley – tot, tot.«
    Johanna schüttelte fassungslos den Kopf. Wie grauenvoll! Doch in Phebes Blick erkannte sie, dass Schwester Irene noch nicht alles erzählt hatte. Und als die Nonne den Kopf senkte, wusste Johanna, dass dieses fürchterliche Blutbad etwas mit ihr zu tun hatte.
    »Unter den Opfern war auch Ludwig. Schwester Irene fand ihn im Gästehaus.«
    Johanna entzog Phebe die Hand und schrie auf: »Das ist nicht wahr! Das kann nicht sein.« Sie wartete auf eine Antwort, die alles aufklären würde, doch vergebens. »Er wollte doch gar nicht zu Rascher. Nein, das ist nicht wahr!«
    Phebe fasste die Freundin bei den Schultern und sah sie unverwandt an. »Hör mir zu! Es war Ludwig. Daran gibt es leider keinen Zweifel.«
    »Nein«, heulte Johanna. »Nein, das kann nicht sein.« Sie bekam kaum noch Luft. »Wieso?«, keuchte sie. »Sag mir, wieso!«
    »Ich weiß es nicht. Bischof Couppé kann vielleicht mehr dazu sagen. Sobald es ihm möglich ist, will er dich besuchen.«
    »Ludwig … Wieso ausgerechnet er?« Johanna rang nach Atem. Plötzlich wurden ihr die Knie weich, und alles um sie herum begann sich zu drehen. Sie hörte Phebes Stimme wie aus weiter Ferne und schloss die Augen. Hinter den Lidern sah sie Ludwigs blutüberströmtes Gesicht. Sein Mund öffnete und schloss sich, aber sie konnte nicht hören, was er ihr sagen wollte. »Ludwig«, flüsterte sie. Dann wurde ihr schwarz vor Augen, und sie sackte in Phebes Armen ohnmächtig zusammen.

Auszüge aus dem Tagebuch von Johanna Schubach,
Eintrag vom 6. Juni 1902, Kopie,
Phebe-Parkinson-Archiv, Archivnummer 009
Was für ein Tag! Ich bin so froh. Nach sechseinhalb Wochen auf See sind wir endlich in Deutsch-Guinea angekommen.
In der Morgendämmerung konnten wir schon von weitem die grünen Berge erkennen und etwas später die unzähligen Palmen, die die Bucht säumen. Dann kam eine Brise auf, und für einen Moment wirkte es so, als wollten die Palmwedel zu unserer Begrüßung die Wolken aus dem Himmel kehren.
Bald darauf sahen wir Boote, die vom anderen Ende der Bucht auf die »Titus« zuruderten. Mein Herz begann, wie wild zu pochen. Ob Ludwig in einem davon mitfuhr, um mich noch an Bord zu begrüßen? Waren das überhaupt unsere Leute?
Ich hielt die Spannung nicht mehr aus und floh hinunter in meine Kabine.
Zehn Minuten später klopfte es an meiner Tür, und ich muss vor Schreck ganz blass geworden sein. Ich strich den Rock glatt und fuhr mir übers Haar, um zu prüfen, ob der Dutt auch ordentlich aufgesteckt war. Wenn es doch nur einfacher wäre, sich an Bord zu waschen! Die wenigen Waschbecken sind fürchterlich verdreckt, zudem gibt es nicht genug Frischwasser.
Was für eine Enttäuschung, als ich dann ängstlich den Vorhang des Türfensters zur Seite schob: Es war gar nicht Ludwig, sondern Bruder Bender. Ich habe ihn nach all den Jahren kaum wiedererkannt, so fett ist er in Übersee geworden, doch dabei sieht er gesund aus, und das freut mich natürlich. Er beruhigte mich, weil er wusste, dass ich auf Ludwig warte, und ging dann wieder. Meine Unruhe wuchs erneut. Hatte Ludwig es denn gar nicht eilig, mich zu sehen? Vielleicht, weil er schon einmal verheiratet war? Ob er noch an seiner verstorbenen Frau hing?
Es klopfte erneut, und dieses Mal war es wirklich Ludwig. Er lächelte, nahm mich bei den Händen und hieß mich willkommen. Ich wusste gar nicht, wohin mit meinen Blicken, und schaute auf seine Hände, die die meinen festhielten. Er hat schöne schlanke Finger, wie ich sie mir vorgestellt habe. Wie ein Pianist. Er trat von einem Fuß auf den anderen und räusperte sich. Da nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und schaute ihm schüchtern in die Augen. Er erwiderte meinen Blick, lächelte, und plötzlich mussten wir beide lachen, weil keiner etwas Rechtes zu sagen wusste.
Wie habe ich mich vor diesem Augenblick gefürchtet! Doch als er mir da so gegenüberstand, wirkte er eigentlich genauso freundlich und klug wie auf dem Porträt. Ich bin so erleichtert! Doch was, wenn Ludwig anders empfindet? Was, wenn er mich für hässlich, dumm und ungeschickt hält?

Auszüge aus dem Tagebuch von Johanna Schubach,
Eintrag vom 7. Juni 1902, Kopie,
Phebe-Parkinson-Archiv, Archivnummer 011
Jetzt bin ich also hier. Zwar noch nicht in Raluana selbst, wo die eigentliche Mission ist und wo ich mit
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