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Die Tiefe einer Seele

Die Tiefe einer Seele

Titel: Die Tiefe einer Seele
Autoren: Kate Dakota
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Entschuldigung.«
    Die Belustigung verschwand wieder aus dem Antlitz der bleichen Rothaarigen. »Herrje, jetzt hören Sie auf, sich ständig zu entschuldigen«, fauchte sie ihn mit blitzenden Augen an. »Das nervt! Aber wenn Sie das schon unbedingt tun müssen, dann dafür, dass sie gerade bei Rot über die Ampel gefahren sind und mich und mein Fahrrad auf die Motorhaube genommen haben.«
    James hob abwehrend die Hand. »Moment mal, Miss!«, unterbrach er das Mädchen verstimmt. »Ich hatte sicherlich nicht Rot, das würde ich zur Not sogar beschwören. Kann es nicht viel eher sein, dass sie bei dem Regen nicht mehr richtig gucken konnten und einfach so losgefahren sind?«
    Das wütende Blitzen in den grünen Augen der Radfahrerin, die, einer nassen Katze ähnlich, auf dem Grünstreifen an der Straße kauerte, verdoppelte sich in Windeseile. »Siiiiiiie!«, wetterte sie los. »Ich werde Ihnen gleich mal zeigen, wer hier nicht richtig gucken kann, Sie Vollpfosten, verdammt!«
    Da! Schon wieder dieses Wort!
    Irritiert schaute James die Kleine aus seinen tiefbraunen Augen an und zuckte mit den Schultern, was die junge Frau nur noch mehr aufbrachte.
    »O.K.! Sie haben keine Ahnung, was ein Vollpfosten ist? Wissen Sie was, ich gebe Ihnen darauf sogar eine wissenschaftlich fundierte Antwort!«
    Der von Minute zu Minute mehr verstörte Mann schaute stirnrunzelnd und immer noch bei ihr am Boden hockend zu, wie die Rothaarige in die Tasche ihres Anoraks griff und ein Smartphone hervorzog. Hektisch fuhr sie über den Touchscreen, der den Regentropfen und den feuchten Fingern seiner Besitzerin zunächst trotzte, sich dann aber doch gefügig zeigte. Hämisch grinsend präsentierte die junge Frau ihm das Ergebnis ihrer Recherche:
    »Die Bezeichnung Vollpfosten charakterisiert einen Menschen, bevorzugt männlich, der über beschränkte intellektuelle Fähigkeiten verfügt. Den also bezüglich der Intelligenz nichts von einem aufragenden Stück Holz unterscheidet«, las sie triumphierend vor und steckte das Handy überaus zufrieden zurück in ihre Tasche. »Das Wort wurde übrigens in diesem Jahr mit in den Duden aufgenommen«, fuhr sie etwas besänftigt fort. »Sie sollten es also unbedingt Ihrem deutschen Vokabular hinzufügen, denn ich fürchte, wenn Sie sich weiter so aufführen, wird es Ihnen in meinem Lande wohlmöglich nicht das letzte Mal begegnet sein. Und jetzt helfen Sie mir endlich auf, es ist hier unten nämlich ziemlich nass und ungemütlich.«
    James fühlte sich gerade wie vor drei Jahren auf einer Recherche-Tour durch die Wildnis Kanadas, als ihn an einem nebeligen Morgen komische Geräusche geweckt hatten. Er war aus seinem Einmann-Zelt gekrabbelt, und vor ihm hatte ein zähnefletschender Grizzlybär gestanden. Nein, die Situation war doch nicht vergleichbar, korrigierte er sich insgeheim. Denn damals hatte er gewusst, wen er vor sich hatte, und wie er reagieren musste. Das war im Moment nicht der Fall. Wer oder was war ihm da zur Hölle vors Auto geraten? Es juckte ihm geradezu in den Fingern, das herauszufinden. Nur mühsam verdrückte er sich ein Grinsen, als er sich erhob, das Mädchen leicht am Ellbogen anfasste und ihr vorsichtig auf die Beine half. Doch dann bemerkte er besorgt, wie sie vor Schmerz das Gesicht verzog. »Ich werde sie ins Krankenhaus fahren«, sagte er hastig, aber die Rothaarige winkte ab. »Nein, nicht nötig«, brummte sie. »Kaputt ist nichts. Fühlt sich an wie eine Prellung, vielleicht habe ich auch ein paar Schürfwunden. Nichts, weswegen man Trara machen müsste.«
    »Wie ist das möglich, dass sie so wenig mitbekommen haben?« hakte der Amerikaner nach. »Ich habe Sie doch voll erwischt. Mein Gott, ich dachte, dass Sie tot wären.«
    Die Kleine sah ihn nachdenklich an und es schien so, als wenn sie noch einen Tick blasser werden würde.
    »Mmm, da gehört schon mehr dazu, mich um die Ecke zu bringen, das versichere ich Ihnen, Sir!«, meinte sie schließlich und zeigte dann bedauernd auf ihr Rad, was ziemlich demoliert wenige Meter von ihnen im nassen Gras lag. »Ich kann mich nämlich im Gegensatz zu diesem Drahtesel da vernünftig abrollen. Das habe ich wohl der langjährigen Teilnahme an Voltigier-Kursen zu verdanken. Äääh, Voltigieren ist eine spezielle Reitsportart«, fügte sie noch erklärend an, worauf James amüsiert die Augenbrauen hochzog.
    »Das habe ich schon verstanden, junge Dame!«, erwiderte er zwinkernd, um dann gleich verlegen den Blick zu senken. »Soll ich die
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