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Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
Autoren: Marisa Brand
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spüren. Die bohrenden Pfeile, die Nägel, das Reißen seiner Sehnen.«
    Sidonia rannte zu Aleander, schlug ihm die Nägel aus der Hand. »Ich werde alle deine Wünsche erfüllen, wenn du ihn schonst.«
    Aleander wandte sich an Gabriel. »Und die Liebe dieser Frau hast du wegen der Kutte verschmäht? Wie überaus traurig. Und so ganz gegen Fadriques Rat, der dich liebt wie ein Vater! «
    Gabriel schwieg.
    In Aleanders Augen blitzte Zorn auf. »Willst du uns nicht mit einer Predigt erbauen, wie damals auf der Negrona? Hat Gott uns durch dich nichts mitzuteilen? Willst du deiner Geliebten nicht Lebwohl sagen, bevor du nur noch zu Schmerzensschreien fähig bist?«
    Gabriel schwieg.
    »Nun«, wandte Aleander sich verärgert an Sidonia. »Ich hätte seine Liebe für beredter gehalten. An deiner aber zweifle ich nicht. Da du mein Weib warst – wenn auch nicht vor Gott, so doch im Fleische –, will ich dir meine Liebe beweisen.«
    Sidonias Augen weiteten sich vor Schreck.
    Aleander schnippte mit den Fingern. »Estrella?«
    Die Nonne hatte sich vom Boden erhoben. Sie griff nach einem Abendmahlskelch, der neben dem Kreuz stand.
    Aleander umfasste ihn feierlich und hielt ihn Sidonia hin. »Trink das, und du wirst nie mehr Schmerzen spüren.«
    »Du Teufel«, zischte Gabriel, »das also hast du vor!«
    Aleander drehte sich um. »Ich sehe, dein Scharfsinn hat nicht gelitten. Ja, genau das habe ich vor. Die Frau, die dich mehr liebt als ihr Leben, wird vor deinen Augen für dich in den Tod gehen. Freiwillig. Das nenne ich Hingabe.«
    Wieder wandte er sich an Sidonia. »Trink mein Kind, und ich verspreche dir, Gabriel zu schonen, so wie Fadrique mein Leben zu schonen wünschte. Gabriel soll leben. Mit seinen Dämonen. Bis zu seinem Tod.«
    Sidonia betrachtete den Kelch.
    »Du glaubst mir nicht? Ich werde direkt nach dir aus dem Kelch trinken.«
    »Aber, das war nicht abgemacht«, protestierte Estrella. »Du hast mir die Ehe versprochen. Mir!«
    Sidonia sah, dass Gabriel den Kopf zu schütteln versuchte. »Tu es nicht.«
    »Wenn sie es nicht tut, müsst ihr beide sterben. Sehr langsam sterben«, sagte Aleander kalt.
    Sidonia beachtete ihn nicht, sie wendete sich dem Mann am Kreuz zu. »Als du die Kutte wähltest, wolltest du mein Leben für das deine geben. Ich werde das Gleiche für dich tun, Gabriel. Unsere Liebe ist stärker als der Tod.«
    »Nein«, flehte Zimenes in Sidonias Richtung.
    Aleanders Augen flackerten hell, fast fröhlich schaute er Sidonia an. »Endlich begreifst du, dass das Leben nichts ist und der Tod alles. Komm, meine Schöne, trink, gehe den letzten Weg mit mir.« Er stellte den Kelch vor ihr ab und hinkte zum Kreuz.
    »Andernfalls«, sagte er leichthin und griff erneut nach einem Pfeil, »muss ich deiner Entscheidung hiermit nachhelfen.«
    Er holte aus und zielte auf die nackte Seite Gabriels; kurz bevor dessen Spitze in das Fleisch eindringen konnte, hielt er inne und schaute sich um.
    Sidonia hob rasch den Kelch und führte ihn zum Mund.

6
    »Ich darf niemanden vorlassen«, rief die Schwester durch das geschlossene Tor.
    »Tu, was ich dir befehle, oder es ist dein Tod«, schrie Goswin. Sie hörten, wie sich eilende Schritte entfernten. »Sie wird die anderen warnen!«
    »Kannst du das Tor aufstemmen?«, fragte Fadrique.
    Goswin betrachtete das feste Holz. »Unmöglich.«
    »Es gibt eine Seitenpforte zu den Kellern«, fiel Lunetta ein. »Sie ist weniger stark. Kommt.«
    Der Padre und der Soldat folgten dem Mädchen zu einer Ecke des Gebäudes. Tatsächlich war die Seitenpforte nur eine schmale Tür. Goswin nahm Anlauf und warf sich mit seiner gepanzerten Schulter gegen sie an. Dreimal musste er das Manöver wiederholen, bis das Holz splitterte. Mit einem Tritt brach er das Schloss hinaus und öffnete die Tür. Er stürzte die Treppe in das Kellergewölbe hinab, sah gleißendes Licht am Ende des Ganges und lief mit gezücktem Schwert darauf zu. Padre Fadrique und Lunetta folgten ihm. Ein Schrei durchhallte den Gang und empfing sie, als sie die offene Eisentür erreichten.
    Die alptraumhafte Nachstellung der Kreuzigungsszene ließ sie erstarren: der Leidende am Kreuz, dessen Kopf auf die Brust gesunken war, die Frau, die tot am Fuß des Kreuzes lag, andere Weiber, die auf Knien einen Mönch betrauerten, der – wie zur Ablegung der ewigen Profess – mit ausgestreckten Armen auf dem Boden das Kreuz bildete. Allerdings lag der Mönch auf dem Rücken, aus seiner Brust ragte ein Pfeil, und seine Kutte saugte
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