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Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)

Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)

Titel: Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)
Autoren: Brett McBean
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widerlichen Bettenersatz hatte ein zerschlissener Schlafsack gelegen. Julia war extrem erleichtert gewesen, dass gerade niemand auf der Matratze gelegen hatte, als sie daraufgefallen war.
    »Würdest du dich bitte einfach beeilen und zu Ende bringen, was immer du zu erledigen hast?«, nörgelte Claire und rieb ihre Arme gegeneinander.
    »Kalt?«
    »Ja, das ist wie in der verfluchten Arktis hier drin.«
    Tatsächlich herrschten draußen über 30 Grad und im Inneren des Hauses war es extrem stickig. Julia spürte, wie ihr Schweißperlen über den Rücken rannen und in ihre Arschritze tropften, die sofort zu jucken begann. Sie benutzte ihren Bleistift, um das unangenehme Gefühl wieder loszuwerden. »Ich habe die Atmosphäre hier noch nicht richtig eingefangen. Ich brauche noch mehr Zeit. Ich muss ganz tief in dieses Haus, in seine verstaubten Bodendielen und seine rissigen Wände eindringen und …«
    »In die Geister, die darin wohnen.«
    »Hier gibt’s keine Geister. Du weißt genau, dass ich keine trashigen Schauergeschichten über alte Spukhäuser schreibe.«
    »Ich hab ja auch nicht von Kerlen wie Casper, dem freundlichen Gespenst gesprochen, Jules.«
    Julia kehrte den durchdringenden Blicken ihrer Schwester den Rücken zu und starrte auf ihren leeren Notizblock. »Du kannst ja draußen warten, wenn du willst. Ich komm schon zurecht.«
    »Scheiße, ich hab schon gedacht, du sagst das nie.«
    »Steh einfach Schmiere, okay? Dafür hab ich dich schließlich mitgenommen. Es hatte weiß Gott nichts mit deinem sonnigen Gemüt zu tun.«
    »Vielen Dank, Schwesterherz. Ehrlich.«
    »Es dauert nicht lange. Versprochen. Ich muss mir nur noch ein paar Notizen machen, dann können wir wieder abhauen.«
    »Je früher, desto besser. Ich mag diesen Ort nicht, Jules. Echt nicht. Er ist böse.«
    »Nur, weil hier mal was Schlimmes passiert ist, heißt das noch lange nicht, dass es hier spukt. Es ist nur ein Haus.«
    »Warum bist du denn dann hier?«
    Julia bemerkte das leichte Grinsen auf Claires Gesicht. »Ja, ja, okay. Warte einfach draußen. Ich komm gleich nach.«
    Julia wartete, bis Claire verschwunden war, bevor sie auf den dunklen Flur vor sich trat.
    Jetzt kann ich mich endlich konzentrieren. Wenn mich keiner stört, kann ich die Atmosphäre dieses Ortes richtig aufsaugen.
    Sie wusste, was vor einigen Jahren in diesem Haus geschehen war. Sie hatte ein paar Zeitungsartikel darüber gelesen und war entsprechend entsetzt und traurig gewesen. Es war schrecklich, das ließ sich nicht leugnen, und sie fühlte sich durchaus schuldig, weil sie hierhergekommen war. Aber sie brauchte einen Ort mit einer starken Vergangenheit – einen Ort, an dem es zwar keine Menschen mehr gab, aber eine Geschichte der Gewalt. Einen Ort mit Persönlichkeit. Dank seiner Vergangenheit bot ihr dieses Haus all das und mehr.
    Während sie den Flur hinunterging und ihre Taschenlampe Schatten über die Wände tanzen ließ, spürte sie, wie sich ein Kribbeln in ihrem Magen ausbreitete – eine Mischung aus nervöser Aufregung und, ja, Angst.
    Claire hatte recht gehabt: Dieser Ort strahlte eine gewisse Energie aus. Nur dass es nichts Böses war. Nein, es war etwas anderes, etwas Greifbares.
    Julia blieb stehen, leuchtete mit der Taschenlampe auf ihren Block und jonglierte Lampe, Bleistift und Notizblock so geschickt, dass sie ihre Eindrücke blitzschnell niederschreiben konnte – wie das Haus aussah, wie es sich anfühlte und wie es roch, was sie selbst fühlte, warum sie es fühlte und mögliche Ideen für Figuren oder Geschichten, eben alles, was ihr gerade durch den Kopf ging.
    Wenn ich das alles in meinem Buch einfangen kann. Wenn ich es schaffe, dass der Leser dasselbe empfindet wie ich in dieser Sekunde, dann wird es todsicher ein Bestseller …
    Julia hörte auf zu schreiben. Einen Augenblick lang war ihr Körper wie festgefroren.
    Sie glaubte, das Weinen eines Mädchen gehört zu haben.
    Der Moment war jedoch so flüchtig gewesen, dass es durchaus auch nur Einbildung gewesen sein konnte.
    »Hallo?«, sagte sie, und dabei klang ihre Stimme stärker, als sie sich selbst gerade fühlte. »Ist da jemand?«
    Sie wartete auf eine Antwort.
    Nichts.
    Wahrscheinlich spielte ihr Verstand ihr nur einen Streich. Aber was, wenn nicht?
    Das ist genau das, worüber du schreibst. Du musst diese Gefühle am eigenen Leib spüren, Angst in all ihren Formen erfahren.
    Sie ging weiter den Flur hinunter und näherte sich dem Zimmer, aus dem das Weinen ihrer Ansicht nach
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