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Die Suche nach der Sonne

Die Suche nach der Sonne

Titel: Die Suche nach der Sonne
Autoren: Colin Kapp
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Material. In dem Licht, das von der gekrümmten Oberfläche des Tales zurückgeworfen wurde, schien der Boden mit Ausnahme der Stellen, an denen andere Schiffe gelandet waren, zu glühen. Aus ihrem niedrigen Winkel konnten sie jetzt jedoch Fußspuren erkennen, die offenbar von ihren Vorgängern stammten, die denselben Marsch über die sanft ansteigende Ödnis zu den erleuchteten Gipfeln dahinter unternommen hatten.
    Sine starrte besorgt auf das merkwürdige Streulicht, das ihren Weg erleuchtete. In ihrer Stimme schwang Ehrfurcht.
    »Was ist es, Maq?«
    »Der Geschwindigkeit und der Zeit unseres Flugs nach zu urteilen, schätze ich, daß wir die Käfigwelt ungefähr zur Hälfte umrundet haben. Irgendwo hinter diesem Punkt sollten wir in der Lage sein, durch den äußeren Kraterrand die Sonne selbst zu sehen. Ich glaube, wir sehen gerade ihr Licht.«
    »Es macht mir Angst.«
    »Warum sollte es das? Wenn Land-a recht hat, dann ist es das Licht, das das Leben auf jene Welt gebracht hat, von der wir stammen. Es ist das Licht, das uns geschaffen hat und seither mit Zeus’ Hilfe zahllose Millionen genährt hat.«
    »Und das flößt dir keine Ehrfurcht ein?«
    »Natürlich tut es das. Die Sonne ist der Urquell allen Lebens. Aber daran ist nichts Mystisches. Ihre Faszination besteht darin, daß alle Lebewesen – von den winzigsten Zellen im Meer die ganze Skala der Evolution entlang – in denselben Strahlen gebadet haben. Die Energie für alles, was wir denken oder tun, stammt direkt oder indirekt von ihr. Aber das da draußen ist nicht Gott – es ist ein Atomreaktor, dessen physikalische Prinzipien ebenso verständlich sind wie die Zyklen einer künstlichen Proto-Sonne.«
    »Bist du dir sicher, Maq?«
    »Ziemlich, zumindest vom intellektuellen Standpunkt. Vom emotionalen Standpunkt weniger. Ich spüre die Gegenwart einer jener Mächte, die die Schöpfung bewirkt haben.«
    Ihre Füße sanken schwer in die verharschte Oberfläche, und ihr Weg entlang des Tales war lang. Dennoch ermüdete sie der Marsch nicht. Je höher sie stiegen, desto strahlender wurde das goldene Leuchten, und doch sahen sie immer nur Streu- und reflektiertes Licht. Sie hatten noch einen langen Weg vor sich, bevor die Quelle selbst in Sicht kommen würde.
    Am Rand des Tals endete der glatte Untergrund, und sie sahen sich Felsblöcken, Vorsprüngen und Felsspalten gegenüber, die in düsteren Schatten lauerten. Die tiefen Fußabdrücke derjenigen, die vor ihnen den Weg gegangen waren, halfen ihnen bei der Orientierung, aber dennoch gerieten sie mehrfach in Sackgassen, bevor sie unverletzt zu den verlockenden Höhen gelangten. Die örtliche Proto-Sonne war immer noch nicht aufgegangen, woraus Ancor den Schluß zog, daß durch ihre lange Umlaufzeit das Gebiet bis zu 36 Stunden in Dunkelheit getaucht war. Er war froh darüber, denn auch wenn die Dunkelheit den Aufstieg erschwerte, wollte er nicht, daß irgend etwas die Pracht des großen Lichts minderte, dem sie entgegenkletterten.
    Dann standen sie unvermittelt auf einem Vorsprung und blickten durch eine Lücke in der Gipfelkette. Die Aussicht war derart überwältigend, daß keiner von beiden zu sprechen in der Lage war. Fast ihr halbes Gesichtsfeld wurde von einem einzigen goldleuchtenden Ball ausgefüllt, dessen Licht so stark war, daß die lichtempfindlichen Visiere ihrer Anzüge beinahe völlig strahlungsundurchlässig wurden, um ihr Augenlicht zu schützen. Aber selbst durch das neutrale Grau der Filter war der Anblick derart erhaben und ehrfurchteinflößend, daß Demut und Furcht in ihnen aufstieg. Die Strahlung beschränkte sich nicht nur auf sichtbares Licht. Selbst aus einer Entfernung von 58 Millionen Kilometern erhitzten die gewaltigen Energieausbrüche die Felsflanken auf Temperaturen von mehr als 4001 Celsius. Nur die Raumanzüge verhinderten, daß Sine und Maq auf der Stelle verdampften.
    Sie verbrachten eine Stunde voller Zauber und Staunen, gaben sich dem Erlebnis hin, vor dem himmlischen Ofen zu stehen, der die Urquelle des Lebens war, und aus dessen unerschöpflichen Feuern letztendlich alle Energie gewonnen wurde. Sie waren nicht nur zum Ursprung des Menschen zurückgekehrt, sondern zum Ursprung jedes Lebewesens in Solaria. Die Legende von einer Welt und ihrer Sonne war keine Legende mehr – vor ihnen lag der strahlende Beweis, und niemand, der ihn jemals erblickte, konnte mehr daran zweifeln.
    Leider konnten sie nicht länger auf dem Vorsprung verweilen. Die Fähigkeit der Anzüge,
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