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Die Sprache des Feuers - Roman

Die Sprache des Feuers - Roman

Titel: Die Sprache des Feuers - Roman
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Gebäudebrand: Man arbeitet sich von außen nach innen. Was man von außen sieht, verrät viel darüber, was innen passiert ist.
    Er schiebt sich durch das schmiedeeiserne Tor und schließt es hinter sich, denn da war doch dieser bellende Hund.
    Wenn zwei kleine Kinder ihre Mutter verlieren, denkt er, sollen sie nicht auch noch ihren Hund verlieren.
    Vor ihm liegt das Grundstück, das von einer Lehmziegelmauer umgeben ist. Ein Splittweg schlängelt sich zwischen einem Zen-Garten zur Rechten und einem Koi-Teich zur Linken.
    Einem ehemaligen Koi-Teich, denkt Jack.
    Der Teich ist voller Asche.
    Tote Kois – einst gold- und orangefarben – treiben an der Oberfläche.
    »Notiz«, sagt Jack zu seinem Diktaphon. »Den Wert der Kois ermitteln.«
    Er läuft weiter, auf das Haus zu.
    Nimmt es in den Blick und denkt: ein wahrer Jammer.

7
    Beim Surfen hat er das Haus viele Male gesehen, aber nicht mit dieser Adresse zusammengebracht.
    Es ist einer von den älteren Bungalows auf dem Hochufer, gebaut in den Dreißigern, Holzrahmen aus kräftigen Balken, Zedernschindeln an den Außenwänden und auf dem Dach.
    Ein Riesenjammer, denkt Jack, denn dieses Haus stammt aus der Zeit, als das Küstenland von Dana vor allem aus grasigen Hügeln bestand und man noch richtige Häuser baute.
    Dieses Haus, denkt Jack, hat Hurrikane und Monsune überlebt, auch die Santa-Ana-Winde mit ihren Feuerstürmen. Noch erstaunlicher ist, dass es die Immobilienhaie und Hotel-Investoren und Finanzämter überlebt hat. Viele Jahre hat dieses Juwel unbeschadet über dem Ozean gethront, und es bedurfte nur einer Frau, einer Flasche Wodka und einer Zigarette, um ihm den Garaus zu machen.
    Was ein wahrhaftiger Jammer ist, denkt Jack, denn er hat ein ganzes Leben lang von seinem Brett aus das Haus gesehen und gedacht: So ein tolles Haus möchte ich haben.
    Es ist aus Holz gebaut, ohne Mörtel oder irgendwelchen Pseudo-Lehmverputz – und sie haben kein frisches Holz für den Rahmen verwendet. Damals, als noch richtige Häuser gebaut wurden, hat man die Balken vorher im Ofen getrocknet. Außerdem wurden richtige Holzschindeln genommen, denen das Ozeanwetter eine graubraune Färbung gab, so dass sich das Haus in die Küstenlandschaft einfügte wie das Treibholz am Strand. Wie ein riesiger Berg Treibholz, genauer gesagt, denn für einen Bungalow ist das Haus sehr groß geraten. Ein hoher Mittelteil, flankiert von zwei Flügeln, die sich im Winkel von etwa dreißig Grad dem Ozean zuwenden.
    Jack steht davor und registriert, dass der Mittelteil und der linke Flügel unzerstört sind. Von Rauch und Löschwasser geschädigt, aber ansonsten intakt.
    Vom rechten Flügel, der nach Westen zeigt, kann man das kaum behaupten.
    Man muss kein Raketenwissenschaftler sein, um zu erkennen, dass das Feuer im Westflügel ausgebrochen ist. Generell gesagt, liegt der Brandherd in dem Teil des Hauses, der am meisten zerstört ist, weil das Feuer dort am längsten gewütet hat.
    Jack tritt ein paar Schritte zurück und fotografiert das Haus erst mit der einen Kamera, dann mit der anderen. Einmal in Farbe, einmal in Schwarzweiß. In Farbe lassen sich die Schäden besser zeigen, aber manche Richter lassen nur Schwarzweißfotos alsBeweismittel zu, weil sie meinen, dass Farbbilder, besonders wenn es Tote gegeben hat, den Schaden »unangemessen dramatisieren«.
    Die meisten Richter, denkt Jack, sind Idioten.
    Viele Schadensregulierer knipsen einfach Polaroids. Jack bleibt bei Kleinbild, weil sich das viel besser vergrößern lässt, wenn man Beweismittel vorlegen muss.
    Manche Klägeranwälte akzeptieren daher keine Polaroids und schmeißen sie dir vor die Füße.
    »Polaroid hat stets gereut«, lautet einer der markigen Sprüche von Goddamn Billy.
    Weil man nie wissen kann, ob die Sache irgendwann vor Gericht landet, hat Jack zwei Kameras dabei. Das ist viel einfacher, als den Film zu wechseln und dann alles noch mal zu fotografieren.
    Er notiert sich jedes Bild, dazu Uhrzeit und Datum, die Seriennummern beider Kameras, die Filmsorte und die dazugehörige ASA . Dieselben Daten spricht er noch einmal auf Band, zusammen mit den Beobachtungen, die er eventuell für seine Akte braucht.
    Jack macht sich diese Mühe, weil er weiß, dass er sich alleine nicht alles merken kann, was er aufgenommen hat und warum. Man kann es sich nicht merken. Man hat vielleicht hundert Schäden gleichzeitig zu bearbeiten, und man bringt sie schnell mal durcheinander.
    Oder, in der blumigen Ausdrucksweise von
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