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Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)

Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)

Titel: Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
Autoren: Hanni Münzer
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Kontrast zu der antiken Intarsienkonsole aus dem 17. Jahrhundert,
auf der es stand. Direkt neben dem Anrufbeantworter parkte eine elegante Handtasche
aus schwarzem, glänzendem Krokoleder. Eigentlich fiel sie ihm nur deshalb auf,
weil er Lucies Vorliebe für monströs große und quietschbunte Beutel kannte. Diese
Tasche jedoch verströmte die Essenz femininer Eleganz. Der silberne
Schnappverschluss stand offen und Lukas konnte sehen, dass sie mit tiefroter
Seide gefüttert war. Irgendwie entstand dadurch der morbide Eindruck, als würde
die Tasche nach innen bluten. Der absurde Gedanke ließ ihn frösteln, er konnte
sich jedoch nicht erklären, wie er überhaupt darauf gekommen war. Eine flüchtige
Ahnung streifte ihn, aber die Eingebung war zu vage, um ganz aus den Tiefen
seines Unterbewusstseins an die Oberfläche zu driften. Der kurze Augenblick verging,
hinterließ in ihm aber den schalen Nachgeschmack, etwas Wichtiges übersehen zu
haben. Da er nicht darauf kam, ließ er Tasche Tasche sein, zog seine
Sportschuhe aus und tappte auf Socken in das geräumige Bad. Dort entledigte er
sich seiner verschwitzten Sportkleidung und stieg in die altmodische Badewanne
mit den Klauenfüßen, die mit einem einfachen Vorhang versehen auch als Dusche
diente. Beim Griff nach dem Vorhang stutzte Lukas: Das war nicht der
ursprüngliche Vorhang. Er schien einer der neuesten Errungenschaften seiner
Schwester zum Opfer gefallen zu sein: Penetrant nach Plastik riechend,
tummelten sich auf diesem jede Menge putziger, goldbekrönter Fröschlein. Lukas
seufzte ergeben. Seit Lucies Einzug hatte die Wohnung einige ihrer einsamen
Meinung nach wundersame Verschönerungsmaßnahmen erfahren. In einem eher
seltenen Anfall bissigen Humors überlegte er sich, welche Zeilen im Neuen
Testament passend wären, um Frauen in ihrer Phase von „Ich baue mir ein
gemütliches Nest" Einhalt zu gebieten? Wohlwollend dachte er dabei an
Simon Petrus. Der Apostel, ein harter Felsbrocken mitten im Wege zum
Feminismus, hatte einige treffende Bonmots in seinem langen, gnadenreichen
Leben von sich gegeben. Er stellte sich vor, wie der bekanntlich verheiratete
Petrus, der sich in den wenigen Überlieferungen als ein nicht unerheblicher
Macho verewigt hatte, eines Tages von einer langen, anstrengenden
Missionierungsreise nach Hause gekommen war und dort von seinem Weibe empfangen
wurde, die ihn zu der ehelichen Lagerstatt führte, um ihm freudestrahlend die neuen,
von ihr höchstpersönlich mit niedlichen kleinen Schäfchen bestickten Bettvorhänge
vorzuführen. Der Name der Angetrauten des Petrus war nicht überliefert, aber
vielleicht hieß sie ebenfalls Maria und der Apostel wurde dadurch zu seinem
Ausspruch: „Maria soll aus unserer Mitte fortgehen, denn die Frauen sind des
Lebens nicht würdig“ inspiriert? Trug die Kirche womöglich seit zwei Jahrtausenden
ihre Fehde auf dem Rücken der Frauen aus, nur wegen ein paar aufgestickter
Schäfchen? Lukas bezweifelte auf jeden Fall, dass die Phantasie des Apostels
Petrus auch nur annähernd ausgereicht hätte, um sich bekrönte Fröschlein auf
Plastikvorhängen vorzustellen.
    Immer noch schmunzelnd drehte er das kalte Wasser voll auf. Im
ersten Moment wie immer ein Schock, fühlte sich das kühle Wasser nach ein paar Sekunden
herrlich auf seiner erhitzten Haut an. Von oben bis unten eingeseift, shampoonierte
er sich bei abgedrehtem Wasser die Haare, dabei vergnügt „ Am Brunnen vor dem
Tore “ vor sich hin summend, als der lustige Vorhang mit einem heftigen Ruck
auf die Seite gerissen wurde. Gleichzeitig verkündete eine fröhliche
Frauenstimme: „Schönen guten Morgen Lukas! Ich habe einen Brief vom Vatikan für
dich, ein Bote hat ihn gerade an der Türe abgegeben.“
    Lukas entfuhr es absolut un-jesuitenhaft: „Blitz und Donner und zum
Kuckuck, Lucie. Hat man nicht einmal unter der Dusche seine Ruhe? Wie oft habe
ich dir schon gesagt, dass ich, auch wenn ich dein Bruder bin, ein Recht auf meine
Intimsphäre habe!“ Blind tastete er nach dem Wasserhahn und spülte sich rasch
den Schaum aus Gesicht, Haaren und Ohren, um dann mit zusammengekniffenen Augen
nach dem Handtuch neben der Badewanne zu tasten. Da wurde es ihm mit den Worten
gereicht: „Na, wer wird denn da so fluchen, Bruder Lukas. Das kostet dich doch
mindestens fünfundzwanzig Vaterunser? Oder gibt es so etwas bei den Jesuiten
nicht?“
    Lukas, der sich mit dem Handtuch Gesicht und Haare abrubbelte,
erstarrte wie Lots Weib in der Wüste
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