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Die schönsten Erzählungen

Die schönsten Erzählungen

Titel: Die schönsten Erzählungen
Autoren: Hermann Hesse
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war und nur das Äußerliche seines Geschäftes verstand, sank er anfänglich langsam, dann aber immer schneller von seiner Höhe und konnte am Ende nicht verbergen, daß er abgewirtschaftet habe. Er versuchte es in der Verzweiflung noch mit ein paar waghalsigen Finanzkünsten, durch welche er sich selber und mit ihm eine Reihe von Kreditoren schließlich in einen unsauberen Bankrott hineinritt. Er entfloh, wurde aber eingebracht, verurteilt und ins Loch gesteckt, und als er nach mehreren Jahren wieder in der Stadt erschien, war er ein entwerteter und lahmer Mensch, mit dem nichts mehr anzufangen war.
    Eine Zeitlang drückte er sich in unbedeutenden Stellungenherum; doch hatte er schon in den schwülen Zeiten, da er den Krach herankommen sah, sich zum heimlichen Trinker entwickelt, und was damals heimlich gewesen und wenig beachtet worden war, wurde nun öffentlich und zu einem Ärgernis. Aus einer mageren Schreiberstelle wegen Unzuverlässigkeit entlassen, ward er Agent einer Versicherungsgesellschaft, trieb sich als solcher in allen Schenken der Gegend herum, wurde auch da wieder entlassen und fiel, als auch ein Hausierhandel mit Zündhölzern und Bleistiften nichts abwerfen wollte, am Ende der Stadt zur Last. Er war in diesen Jahren schnell vollends alt und elend geworden, hatte aber aus seiner fallitgegangenen Herrlichkeit einen Vorrat kleiner Künste und Äußerlichkeiten herübergerettet, die ihm über das Gröbste hinweghalfen und in geringeren Wirtshäusern noch immer einige Wirkung taten. Er brachte gewisse schwungvoll großartige Gesten und nicht wenige wohltönende Redensarten in die Kneipen mit, die ihm längst nur noch äußerlich anhafteten, auf Grund derer er aber doch noch immer eine Schätzung unter den Lumpen der Stadt genoß.
    Damals gab es in Gerbersau noch kein Armenhaus, sondern die Unbrauchbaren wurden gegen eine geringe Entschädigung aus dem Stadtsäckel da und dort in Familien als Kostgänger gegeben, wo man sie mit dem Notwendigsten versah und nach Möglichkeit zu kleinen häuslichen Arbeiten anhielt. Da nun hieraus in letzter Zeit allerlei Unzuträglichkeiten entstanden waren und da den verkommenen Fabrikanten, der den Haß der Bevölkerung genoß, durchaus niemand aufnehmen wollte, sah sich die Gemeinde genötigt, ein besonderes Haus als Asyl zu beschaffen. Und da gerade das ärmliche alte Wirtshaus zur Sonne unter den Hammer kam, erwarb es die Stadt und setzte nebst einem Hausvater als ersten Gast den Hürlin hinein, dem in Kürze mehrere andere folgten. Diese nannte man die Sonnenbrüder.
    Nun hatte Hürlin schon lange zur Sonne nahe Beziehungen gehabt, denn seit seinem Niedergang war er nach und nach in immer kleinere und ärmere Schenken gelaufen und schließlich am meisten in die Sonne, wo er zu den täglichen Gästen gehörte und beim Abendschnaps mit manchen Kumpanen am selben Tische saß, die ihm später, als auch ihre Zeit gekommen war, als Spittelbrüder und verachtete Stadtarme in ebendasselbe Hausnachfolgen sollten. Ihn freute es, gerade dorthin zu wohnen zu kommen, und in den Tagen nach der Gant, als Zimmermann und Schreiner das alte Schankhaus für seinen neuen Zweck eilig und bescheiden zurichteten, stand er von früh bis spät dabei und hatte Maulaffen feil.
    Eines Morgens, als es schön mild und sonnig war, hatte er sich wieder daselbst eingefunden, stellte sich neben die Haustür und sah dem Hantieren der Arbeiter im Innern zu. Er guckte hingerissen und freudig zu und überhörte gern die bösartigen Bemerkungen der Arbeiter, hielt die Fäuste in den tiefen Taschen seines schmierigen Rockes und warf mit seinen geschenkten, viel zu langen und zu weiten Beinkleidern spiralförmige Falten, in denen seine Beine wie Zapfenzieher aussahen. Der bevorstehende Einzug in die neue Bude, von dem er sich ein bequemes und schöneres Leben versprach, erfüllte den Alten mit glücklicher Neugierde und Unruhe.
    Indem er dem Legen der neuen Stiegenbretter zuschaute und stillschweigend die dünnen tannenen Dielen abschätzte, fühlte er sich plötzlich beiseite geschoben, und als er sich gegen die Straße umkehrte, stand da ein Schlossergeselle mit einer großen Bockleiter, die er mit großer Mühe und vielen untergelegten Bretterstücken auf dem abschüssigen Straßenboden aufzustellen versuchte. Hürlin verfügte sich auf die andere Seite der Gasse hinüber, lehnte sich an den Prellstein und verfolgte die Tätigkeit des Schlossers mit großer Aufmerksamkeit. Dieser hatte nun seine Leiter
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