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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)
Autoren: Monika Zeiner
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berätst.«
    Sie lachte. Aber das Lachen verschwand langsam von ihrem Gesicht, als Tom auf das Hotel deutete. Wie ein Poster, das sich langsam, Ecke für Ecke, von der Wand löst und dann fällt, so fiel das Lachen von ihrem Gesicht, als sie vor dem hohen Eingangsportal des Hotels Marina stehen blieb.
    »Was ist?«, fragte Tom.
    »Ich warte hier unten«, sagte sie. Ihr Gesicht hatte sich etwas in die Breite gezogen, zweidimensional und weiß wirkte es, papierartig.
    Er wolle sich aber oben noch umziehen, sagte er. So könne er doch nicht durch die Stadt. Die Drehtür des Hotels war leer und hell erleuchtet. Betty sah hinein, bewegte sich aber nicht. Tom fürchtete, Diedrich oder einer der anderen Kollegen, denen er beim Frühstück erfolgreich aus dem Weg gegangen war, könnten herauskommen, also nahm er Betty bei der Hand und zog sie in die rotierende Tür, jetzt aber hielt sie seine Hand fest und zog ihn weiter, eine Runde weiter, und lachend kreisten sie, Hand in Hand, in der Drehtür über mehrere Runden, lachend wie Kinder, bis er sie endlich ins Innere der Halle brachte. Er ließ ihre Hand los, ließ Betty in der Mitte der Halle stehen, während er, um den Schlüssel zu holen, zur Rezeption ging. Als er sich wieder zu ihr umwandte, fürchtete er, sie könnte verschwunden sein, und das Gefühl schien viel länger zu dauern als das Sichumwenden selbst, so als käme es aus einer anderen Dimension, einer, die langsameren Zeitgesetzen unterworfen war. Er wandte sich um und dachte, sie ist weg. Während er dies dachte, sie ist weg, in der Drehbewegung, die ihm unendlich verlangsamt erschien, schloss er die Augen, presste die Lider aufeinander, vielleicht um den Moment der Ungewissheit, der Hoffnung weiter auszudehnen.
    Sie war noch da. Sie stand in der Leere der Halle und blickte ihn an mit den riesigen schwarzen Facettenaugen ihrer Sonnenbrille. Und während sie Tom durch die Halle auf sich zukommen sah, schien sich ihre Wahrnehmung tatsächlich zu verändern, ihr Blickwinkel vergrößerte sich facettenaugenhaft, so dass sie fast vollkommen alles zu überblicken meinte, diese Hotelhalle heute, diese Hotelhalle vor einigen Tagen, und Tom nichts war als ein winziges Figürchen auf dieser weiten, durch die Tage reichenden Ebene, in geringerer Auflösung als sonst,in blasseren Farben. Nebeneinander stiegen sie die teppichbespannte Treppe hinauf. Die neapolitanischen Sänger sahen blass und verschwommen von den Wänden auf sie herab, erkannten Betty aber sofort wieder und lächelten ihr zu. Sie überlegte, ob Tom wusste, dass dies italienische Sänger waren. Sie wollte es ihm sagen, aber es ging gerade nicht.
    »Renato Carosone«, sagte Tom und blieb vor Fred Buscaglione stehen.
    »Ja«, sagte Betty.
    Wenigstens nicht dasselbe Zimmer, dachte sie, als er die Tür aufschloss. Das Zimmer war geräumig und voll von Licht und Straßenrauschen, und durch das Fenster fiel das Bild des blauen Himmels herein. Die Vorhänge aufgezogen. Das Bett gemacht. Eng und faltenfrei umschloss das Laken das Bett. Die Möbel standen scharfkantig und aufgeräumt in der Helle des Raums, und obwohl die Luft unbewegt war, schien hier ein frischer kräftiger Wind zu wehen.
    »Setz dich.« »Ich warte draußen«, sagten sie gleichzeitig.
    Ein frischer Wind wehte. Sie strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr, und da berührte er kurz ihre Hand, als wolle er sehen, ob sie echt sei. Auf ihrem Gesicht wechselten die Stimmungen wie Licht und Wolken. Er steckte seine Hand tief in die Hosentasche des neuen Anzugs und stand vor ihr da und betrachtete den Teppichboden unter ihren Füßen. Sie stand mit dem Rücken zur Tür.
    »Ich zieh mich um«, sagte er. »Setz dich.«
    Sie setzte sich nicht, als er ins Bad ging, sondern blieb stehen und blickte von der Tür aus in die aufgeräumte Helle des Zimmers. Dann setzte sie sich doch auf den Rand des Bettes und betrachtete die Tür. Zwischen Fenster und Tür lag ein länglicherBettvorleger aus Licht. Sie hörte, wie er vom Bad in das Zimmer trat und dann stehen blieb. Sie wusste, dass er die Hände in die Hosentaschen grub und von hinten ihren Umriss betrachtete, während sie weiterhin die Tür anstarrte. Sein Blick lag schwer und warm in ihrem Nacken. Sie fasste mit der Hand dorthin und meinte, seinen Blick in die Handfläche schließen zu können, wie etwas Stoffliches, einen warmen, von der Sonne aufgeheizten Kieselstein, den man in die Tasche steckte. Sie stand auf und drehte sich um. Er trug nun wieder seine
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