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Die Marionette

Die Marionette

Titel: Die Marionette
Autoren: Alex Berg
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ausatmend, sah sie orientierungslos auf die geschlossenen Jalousien, durch die helles Sonnenlicht in feinen Streifen auf ihr weißes Laken fiel, und erstarrte, als ihr Blick auf den hochgewachsenen Mann fiel, der neben dem Fenster im Halbdunkel stand. Er bemerkte, dass sie wach war, und trat einen Schritt näher.
    »Eric«, stieß sie unsicher hervor, als sie ihn erkannte.
    Eric Mayer lächelte, aber es war ein Lächeln, das seine dunklen Augen nicht erreichte. »Wie geht es dir?«, fragte er.
    Seine Stimme weckte Erinnerungen. Wie lange war es her, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten? Fünf Jahre? Er hatte sich nicht verändert, sah noch immer gut aus. Das dichte dunkelbraune Haar militärisch kurz, nur die Uniform war einem teuren dunklen Anzug gewichen. »Warum bist du hier?«, wollte sie wissen. Sie hatte gehört, dass er inzwischen beim Bundesnachrichtendienst war. Der Mann für die besonderen Aufgaben. Es wunderte sie nicht. Er war schon während ihrer gemeinsamen Zeit beim KSK regelmäßig für verdeckte Operationen und Spezialaufklärung abgezogen worden.
    Er räusperte sich. »Eine interne Untersuchung zu dem Anschlag auf deinen Konvoi läuft bereits.«
    Kälte breitete sich in ihr aus bei seinen Worten. Das Krankenzimmer mit seinen kühlen weißen Wänden und Laken löste sich auf, und vor ihr tauchte ein gekrümmter Körper auf, Blut und helle Gedärme, die zwischen kraftlosen Fingern hervordrängten. Sie schluckte hart. »Ich nehme an, du leitest diese Untersuchung.«
    Er nickte kurz und zog sich einen Stuhl heran. »Es steht eine schwere Anschuldigung gegen dich im Raum.«
    »Ich weiß«, erwiderte sie, bemüht, ihre Stimme selbstsicher klingen zu lassen. »Aber ich habe Mirko nicht getötet. Ich habe ihm Morphin gegeben, um die Schmerzen zu lindern.«
    »Dem medizinischen Bericht zufolge hast du ihm die doppelte Dosis verabreicht.«
    »Ich habe ihm so viel injiziert, wie nötig war«, widersprach sie und sah wieder den länglichen Autoinjektor in ihren von Staub, Blut und Schweiß verdreckten Fingern vor sich. »Du weißt, dass das Morphin nicht immer wirkt, wenn die Soldaten die Injektoren zu lange bei sich tragen.« Sie ballte ihre Faust. »Ich hätte alles getan, um Mirkos Leben zu retten. Aber er hatte keine Chance.«
    Mayer ging nicht auf ihre Bemerkung ein. »Sie haben sich deine Akte angesehen und den Fall 2006 in Somalia wieder ausgegraben.«
    Ungläubig starrte sie ihn an. Somalia. Der Einsatz mit der internationalen Spezialeinheit. »Du weißt, was damals passiert ist«, stieß sie wütend hervor, »du warst dabei.«
    »Deshalb bin ich hier«, sagte er ruhig. »Jemand will dich augenscheinlich loswerden, und ich wüsste gern, warum.« Er lehnte sich auf seinem Stuhl nach vorn und fixierte sie scharf. »Du hast gegenüber deinem Vorgesetzten erwähnt, dass du den Tatort noch einmal untersuchen willst«, sagte er. »Was ist passiert?«
    Sie antwortete nicht gleich. Eric strahlte eine Autorität aus, der sie sich nur schwer entziehen konnte. Aber konnte sie ihm vertrauen? Er vertrat inzwischen das politische Berlin. Die andere Seite. Die, die nicht von Krieg sprach, wo Krieg war. Im Gegensatz zu den Politikern wusste er jedoch, wie es sich
dort draußen
anfühlte. Er kannte die Angst, die die Sinne schärfte bis ins Unerträgliche. Wusste, was sie auf Dauer mit einem machte. »Die Taliban waren uns nicht nur überlegen, weil sie das Gelände kannten«, erwiderte sie schließlich vorsichtig.
    Mayer sah sie aufmerksam an.
    Jemand will dich augenscheinlich loswerden.
Es gab keine Geheimnisse, sonst wäre Eric nicht hier. Aber wer steckte dahinter, wer konnte wissen, was sie herausgefunden hatte? Zögernd zog sie die Schublade ihres Nachttischs auf, tastete nach der Streichholzschachtel, die darin lag, und reichte sie Mayer. Er zog sie auf und hielt die Projektile, die er darin fand, nachdenklich ins Licht. Genau wie sie kannte er sich aus mit Munition. Das hochwertige Material hatte nur wenig unter dem Aufprall auf ihren Knochen gelitten. Was sie hier vor sich hatten, stammte nicht aus dem Nachlass der russischen Armee. Das war deutsche Wertarbeit. Wortlos gab er ihr die Kugeln zurück. »Woher hast du die?«, fragte er schließlich.
    »Sie steckten in meiner Schulter.«
    »Wer weiß noch davon?«
    »Niemand außer dir.«
    »Und der Arzt?«
    Katja schüttelte den Kopf. Der Arzt, der die Projektile aus ihrem Körper herausoperiert hatte, hatte keine Ahnung gehabt, wie brisant dieses Andenken
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