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Die Macht der Macht

Die Macht der Macht

Titel: Die Macht der Macht
Autoren: Reiner Neumann
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zuzuschreiben.
Unser Glaube an Autoritäten
    Wir leben in einer komplexen Welt, die sich zudem ständig verändert. Und das in einem rasenden Tempo: Eines von acht verheirateten Paaren in den USA hat sich online kennengelernt. Die zehn im Jahr 2010 in den USA am stärksten nachgefragten Jobs existierten im Jahr 2004 noch gar nicht. Unser technisches Wissen verdoppelt sich alle zwei Jahre.
    Viele von uns folgen daher gerne Autoritäten, speziell in Situationen, in denen wir nicht sicher sind. Autoritäten werden sogar ernst genommen, wenn sie sich auf vollkommen fremden Gebieten tummeln – wenn also Schauspieler Tabletten empfehlen oder Hautcreme oder wenn Tennisprofis für das richtige Bier oder die beste Nudelsauce werben.
    Experten sind in Situationen von Unsicherheit immer gefragt. Aufgrund ihrer Expertise wird ihnen die Macht zugeschrieben, zukünftige Entwicklungen mit größerer Sicherheit vorhersagen zu können als Otto Normalverbraucher. Wir bemühen uns, diese sich exponentiell entwickelnde Zukunft vorherzusagen und sie dann zu planen. Wir wollen wissen, was uns erwartet. Die Zukunft zu erfahren bedeutet für uns, sie steuern und beherrschen zu können. Doch woran wollen wir uns orientieren? In unsererrational orientierten Gesellschaft nehmen wir gerne zu Experten und ihrem Wissen Zuflucht, dann wissen wir Bescheid. Unglücklicherweise sind in solchen Situationen auch Experten meist nicht klüger als der Rest der Bevölkerung. Experten liegen mit ihrem Wissen und mit ihren Prognosen immer wieder daneben: Das ist die ernüchternde Erfolgsbilanz von circa einer Million ausgebildeter Ökonomen auf diesem Planeten. Keiner hat die Finanzkrisen 2008 und 2011 vorausgesagt, geschweige denn deren weiteren Verlauf.
    Wir selber leisten unseren Beitrag zu der Macht der Experten. Ihnen gegenüber scheinen viele auf selbständiges Denken zu verzichten, zumindest wenn sie sicher sind, erst einmal den richtigen Experten gefunden zu haben. Wir sind Expertenmeinungen gegenüber viel unvorsichtiger als gegenüber anderen Meinungen. Wir gehorchen Autoritäten selbst dort, wo es rational oder moralisch keinen Sinn ergibt.
    Der amerikanische Psychologe Stanley Milgram ließ Versuchspersonen vorgeblich an einem Experiment zum menschlichen Lernen teilnehmen. Zwei Teilnehmer trafen sich mit dem Versuchsleiter im Labor. Der loste aus, wer zum Lernenden und wer zum Helfer des Versuchsleiters werden sollte. Die Versuchspersonen glaubten, das Ziel des Experiments wäre es, den Einfluss von Bestrafung auf das Lernen zu untersuchen. Der Lernende nahm im Nachbarraum Platz, der Helfer saß vor einer Apparatur, mit der er dem Lernenden Stromstöße verpassen konnte. Das sollte er immer dann tun, wenn der andere Fehler beim Lernen von Zahlenreihen machte. Der Lernende machte – absichtsvoll, aber unerkannt vom Helfer – immer wieder Fehler. Der Helfer wurde aufgefordert, dem Lernenden dafür Stromstöße zu verpassen, von ansteigender Stärke, bis hin zu 450 Volt. Und das trotz inständiger Rufe des Lernenden, aufzuhören. Der Helfer will immer wieder aufhören, wird aber durch den Versuchsleiter strikt aufgefordert, weiterzumachen. 65 Prozent der Teilnehmer an diesem Versuch waren bereit, dem Lernenden Schocks bis zu den tödlichen 450 Volt zu verpassen. Entscheidender Faktor für dieses Ergebnis ist die Anwesenheit des als Experte ausgewiesenen und durch einen Arztkittel zusätzlich autorisierten Versuchsleiters. Ohne seine Anwesenheit sind maximal 3 Prozent bereit, bis ans Limit zu gehen.
    Dieser »Authority Bias« ist ein Problem. Bei manchen Fluggesellschaften hat er sogar zu Abstürzen geführt. Kopiloten scheuen sich, Fehler von Flugkapitänen zu korrigieren, oder sie tun dies nur zögerlich. Malcolm Gladwell beschreibt in seinem Buch Outliers , wie Autoritätshörigkeit den Absturz von Flugzeugen bewirkte. Als Beispiel benennt er Korean Airlines – die Fluglinie mit den bis Ende der 1990er Jahre meisten Flugzeugabstürzen weltweit. Und das, obwohl die Linie über moderne Flugzeuge und gut ausgebildete Piloten verfügte. Des Rätsels Lösung liegt in der koreanischen Kultur, in der Ältere und Höhergestellte Respekt verdienen. Ihnen darf nicht widersprochen werden. Aus dieser Haltung heraus wurden Fehler der Piloten vom Kopiloten nicht korrigiert. In mehreren Fällen hatten sich diese Fehler bis zu einem fatalen Absturz addiert. Nachdem die Quelle des Fehlers bei Korean Airlines erkannt wurde, konnte durch ein spezielles Training
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