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Die MacGregors 05 - Stunde des Schicksals

Die MacGregors 05 - Stunde des Schicksals

Titel: Die MacGregors 05 - Stunde des Schicksals
Autoren: Nora Roberts
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Kaffee ab, kalt und ungetrunken. Vier Stunden und zwanzig Minuten. Es dauerte zu lange. Neben ihr zuckte Shelby zusammen und begann tief durchzuatmen. Automatisch legte Anna eine Hand auf den gewölbten Bauch ihrer Schwiegertochter.
    »Wie ist der Abstand?«, erkundigte sie sich.
    »Etwas unter fünf Minuten.«
    »Seit wann?«
    »Ein paar Stunden.« Shelbys Blick verriet ein wenig Aufregung, ein wenig Angst. »Etwas über drei, um genau zu sein. Ich wünschte, ich hätte die Zeit besser abgepasst.«
    »Du hast es perfekt getimt. Möchtest du, dass ich dich begleite?«
    »Nein.« Shelby lehnte sich an Annas Schulter. »Es wird schon gut gehen. Es wird alles gut gehen. Alan …« Sie streckte ihrem Mann beide Hände entgegen. »Ich werde das Baby nicht im Georgetown Hospital bekommen.«
    Behutsam zog er sie hoch. »Nein?«
    »Ich werde es hier bekommen. Und zwar bald.« Sie lachte, als er argwöhnisch die Augen zusammenkniff. »Bei einem Baby solltest du es erst gar nicht mit Logik versuchen, Alan. Ich glaube, es ist gleich so weit.«
    Der ganze Clan drängte sich um sie, bot Hilfe, Rat und Aufmunterung an. In gewohnt ruhiger Art rief Anna eine Krankenschwester und verlangte nach einem Rollstuhl. Entschlossen drückte sie Shelby hinein. »Ich werde nach dir sehen.«
    »Uns geht es gut.« Shelby griff nach Alans Hand. »Uns allen. Sag Dad, dass es ein Junge wird. Dafür werde ich sorgen.«
    Anna sah den beiden nach, bis die Fahrstuhltür sich hinter ihnen schloss. Sekunden später erschien Dr. Feinstein auf dem Korridor. »Sam«, rief Anna und eilte zu ihm.
    In der Tür des Warteraums hielt Justin Caine zurück. »Lass ihr eine Minute«, murmelte er.
    »Anna.« Der Chirurg legte eine Hand auf ihre Schulter. Jetzt war sie nicht nur eine Kollegin, die er respektierte. Sie war auch die Frau eines Patienten. »Er ist ein kräftiger Mann.«
    Sie spürte Hoffnung in sich aufsteigen. »Kräftig genug?«
    »Er hat viel Blut verloren, Anna, und er ist nicht mehr jung. Aber wir haben die Blutungen stoppen können.« Er zögerte, doch er respektierte sie zu sehr, um auszuweichen. »Wir hatten ihn schon verloren, aber er hat sich zurück ins Leben gekämpft. Wenn der Lebenswille zählt, Anna, hat er eine verdammt gute Chance.«
    Sie schlang die Arme eng um sich. Ihr war plötzlich eiskalt. »Wann kann ich ihn sehen?«
    »Er wird gerade auf die Intensivstation gebracht.« Seine Hände schmerzten von der langen Operation, aber er hielt ihre Schultern mit festem Griff. »Anna, ich muss dir nicht erklären, was die nächsten vierundzwanzig Stunden bedeuten können.«
    Leben oder Tod. »Nein, das musst du nicht. Danke, Sam, du hast Großes geleistet. Ich werde mit meinen Kindern sprechen. Dann komme ich nach oben.«
    Sie drehte sich um und ging davon. Eine kleine, anmutige Frau, in deren schwarzes Haar sich erste silberne Fäden gewoben hatten. Ihr Gesicht war fein geschnitten, die Haut noch so zart wie in ihrer Jugend. Sie hatte drei Kinder aufgezogen, in ihrem Beruf Karriere gemacht und über die Hälfte ihres Lebens einen einzigen Mann geliebt.
    »Er ist aus dem OP«, verkündete sie ruhig. »Sie bringen ihn gerade auf die Intensivstation. Die Blutungen sind unter Kontrolle.«
    »Wann können wir zu ihm?«, fragten gleich mehrere.
    »Sobald er aufwacht.« Ihre Stimme klang fest. »Ich werde heute Nacht hierbleiben.« Sie sah auf die Uhr. »Er soll wissen, dass ich bei ihm bin. Aber vor morgen früh wird er nicht sprechen können.« Mehr Hoffnung konnte sie ihnen nicht machen. »Ich möchte, dass ihr auf die Entbindungsstation geht und nach Shelby seht. Dann fahrt nach Hause und wartet. Ich rufe an, sobald sich sein Zustand verändert.«
    »Mutter …«
    Mit einem Blick brachte sie Caine zum Schweigen. »Tut bitte, was ich euch sage. Ich möchte, dass ihr frisch und ausgeruht seid, wenn euer Vater euch sieht.« Sie strich ihrem Sohn über die Wange. »Tut es für mich.«
    Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging zu ihrem Mann.
    Er träumte. Trotz der Medikamente wusste Daniel, dass er träumte. Es war eine Welt aus weichgezeichneten Bildern, durchzogen von Erinnerungen. Trotzdem ließ er sich nicht darin treiben, sondern kämpfte sich an die Oberfläche. Als er die Augen öffnete, sah er Anna. Er brauchte nichts anderes mehr. Sie war wunderschön. Wie immer. Die starke, energische, intelligente Frau, die er erst bewundert, dann geliebt und schließlich respektiert hatte. Er versuchte sie zu berühren, aber seine Hand gehorchte
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