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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen
Autoren: Wolf Serno
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war Taggart versucht, der Bitte zu entsprechen, doch dann überlegte er es sich anders. Die Spanier hatten mit ihren schwach bestückten Galeeren den Kampf aufgenommen, obwohl es für sie nicht den Hauch einer Chance gab. Das war tollkühn, wenn nicht gar todesmutig, und verlangte Respekt. Bei einem Feind, der schon am Boden lag, trat man nicht nach.
    »Erlaubnis verweigert! Ruder hart Backbord, holt das Schiff herum, verdammt noch mal, macht schon!« Folgsam wie ein Hund an der Leine, drehte die
Falcon
ab und entging mit knapper Not der Kollision. Taggart sah mit Erleichterung, wie der Feind nur fünfzig Fuß entfernt vorüberglitt. Die Galeere brannte wie eine Fackel. Schwarze Schwaden hüllten sie ein. Schmerzensschreie drangen herüber, qualvolles Husten, dazwischen Rufe nach der Mutter Gottes, aber auch Kommandos, die zu retten versuchten, was zu retten war.
    Taggart straffte sich. »He, ihr da drüben!«, bellte er in leidlichem Spanisch. »Wer kommandiert euer Geschwader?«
    »Wer will das wissen?«, kam es trotzig zurück.
    »Taggart, der Korsar!«
    »Dann hört, Taggart: Es ist Don Pedro de Acuña, kommandierender Admiral Seiner Majestät! Ich bin sicher, er wird Euch den Überfall gern heimzahlen.«
    Taggart grinste schief. Hat Schneid, der Bursche, dachte er. Dann grüßte er militärisch knapp und brüllte: »Meine Empfehlung an ihn!«
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Pater Alfredo hatte eine Zeitlang angestrengt gelauscht, aber von der anderen Seite des Beichtstuhls war nicht das leiseste Wort mehr gekommen. Was hatte das nun wieder zu bedeuten? Wieso schwieg die Fremde abermals? Sie hatte doch schon einiges von sich erzählt! Um das Gespräch erneut in Gang zu bringen, sagte er: »Ich habe Euch vorhin meinen Namen genannt, würdet Ihr mir auch den Euren verraten?«
    »Nein.«
    Da war sie wieder, diese Unnahbarkeit, diese Überheblichkeit! Pater Alfredo schluckte seinen Ärger hinunter. Er hätte nicht fragen sollen. Nirgendwo stand geschrieben, dass der Beichtende seinen Namen nennen musste. »Nun gut, jedenfalls seid Ihr die junge Dame, die Seine Exzellenz Paolo Farnese heiraten wird. Nun beichtet mir Eure Sünden, damit ich Euch eine geziemende Buße auferlegen kann.«
    Wieder das spöttische Lachen. »Ich bin mir keiner Verfehlung bewusst, lieber Pater.«
    Pater Alfredo wollte die Unbekannte zurechtweisen und ihr sagen, sie könne sich ihre herablassende Art sparen, doch er unterließ es. Er musste Gelassenheit ausstrahlen. »Wenn ich mich recht erinnere, sagtet Ihr eingangs, Ihr wolltet, dass Gott Euch Eure Sünden vergibt?«
    »Das stimmt. Ich sagte es, weil man es so sagt. Aber ich wüsste nicht, was ich mir vorzuwerfen hätte.«
    »Niemand von uns ist ohne Sünde. Wart Ihr nie schadenfroh, wenn einem Mitmenschen ein Missgeschick widerfuhr, habt Ihr nie falsch Zeugnis wider einen Nächsten abgelegt, hattet Ihr niemals unzüchtige Gedanken oder Wünsche im Beisein des anderen Geschlechts?«
    »Nun gut, wenn Ihr unbedingt darauf besteht: Ich habe manchmal meinen Teller nicht leergegessen.«
    »Äh, wie?« Pater Alfredo zweifelte, ob das eine Sünde war. Immerhin konnte die übrig gebliebene Speise noch zur Sättigung der Armen Verwendung gefunden haben. »Und weiter?«
    »Ich habe manchmal zu viel getrunken, und ich habe manchmal bei Tisch gefurzt.«
    Pater Alfredo merkte erst jetzt, dass die Fremde ihn verhöhnte. Warum tat sie das? Zorn wallte in ihm auf. Sie hatte ein Benehmen an den Tag gelegt, das unerhört und ketzerisch war. Einen geweihten Mann Gottes beleidigte man nicht, denn das war, als beleidigte man Gott selbst. Wahrlich, Gott war soeben in schändlichster Weise geschmäht worden, seine Antwort würde nicht lange auf sich warten lassen! Pater Alfredo zuckte zusammen, denn in diesem Moment entlud sich ein gewaltiger Donner über dem Hafen der Stadt. Da war es schon, das Zeichen! Ja, Gott war groß, ihm entging nichts. Wenn er sich recht besann, hatte der Allmächtige es bereits ein paarmal donnern lassen – kein Wunder angesichts der ketzerischen Reden dieser aufsässigen Fremden! Oder sollte es sich nur um ein ganz normales Gewitter handeln? Ein Gewitter, das der Herr mitten hinein in den wolkenlosen Himmel Andalusiens geschickt hatte, ausgerechnet an seinem Geburtstag?
    Pater Alfredo merkte, dass er gedanklich abglitt, konzentrierte sich wieder auf das Gespräch und bemühte sich um eine scharfe Antwort: »Hütet Euch, denn Eure Rede ist gottlos! Schon im zweiten Buch Mose warnt
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