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Die leise Stimme des Todes (German Edition)

Die leise Stimme des Todes (German Edition)

Titel: Die leise Stimme des Todes (German Edition)
Autoren: David Kenlock
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verriet, verstand keinen Spaß und ließ Ausreden, mochten sie noch so überzeugend klingen, nicht gelten.
    Von Anfang an war ihre Zusammenarbeit problematisch gewesen. Obwohl Mark sich bemühte, seine Arbeit gewissenhaft zu erledigen, versäumte Henrich keine Gelegenheit, ihm Schwierigkeiten zu machen. Inzwischen hatte Mark zwei schriftliche Abmahnungen von der Personalabteilung erhalten und musste um seinen Job bangen.
    Mist! Sein Leben entglitt ihm zunehmend. Erst die schmerzvolle Trennung von Tina, und jetzt war auch noch sein Arbeitsplatz in Gefahr.
    Vor ihm scherte ein Fahrzeug ohne zu blinken aus der Reihe und wechselte die Spur. Mark griff hastig in die Bremsen und schaffte es durch eine schnelle Gewichtsverlagerung, dem Hindernis auszuweichen. An der nächsten Ampel musste er anhalten. Seine Beine zitterten. Gleichzeitig genoss er aber das Gefühl, sein Blut durch die Adern rauschen zu fühlen. In Momenten wie diesen spürte er, was es bedeutete, am Leben - lebendig - zu sein. Aber so war es nur selten, und jetzt, da Tina weg war, würde es eine ganze Weile dauern, bis ihn dieses Gefühl auch ohne unachtsame Autolenker überkam.
    Endlich schaltete die Ampel auf Grün. Mark stieg in den Sattel. In Gedanken war er wieder bei Henrich und dem Ärger, der ihn erwartete.
     
    Drei Fahrzeuge hinter Mark Keller saß ein Mann in einem unauffälligen Ford Focus. In seinem gefälschten Personalausweis stand der Name Dieter Hartmann, aber sein richtiger Name war Kurt Wenner, ehemaliger Hauptmann der Stasi, des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, der es geschafft hatte, die politische Wende von 1989 unbeschadet zu überstehen. Er hatte die Entwicklung vorausgesehen und seine Personalakte vorsorglich vernichtet. Aber auch sonst war er gründlich gewesen und hatte alle Personen liquidiert, die seine wahre Identität kannten.
    Als Beruf gab Wenner stets kaufmännische Tätigkeit an; in Wirklichkeit ähnelte sein Business weniger dem Warenverkehr als der Beförderung - er beförderte Menschen vom Leben zum Tode, und darin war er wirklich gut. Vom Waisenhaus nahe bei Erfurt, in das er im Alter von fünf Jahren nach dem Tod seiner Eltern gekommen war, hatte sich Kurt Wenner bis in die höheren Stasiränge emporgearbeitet. Seine Loyalität, sein bedingungsloser Gehorsam, aber vor allen Dingen sein Hang zu rücksichtsloser Gewalt hatten ihn rasch zum Liebling seiner Vorgesetzten werden lassen. Seine Vorgesetzten, die seine Identität kannten, hatten seine überaus eifrige Berufsauffassung und die Brutalität, mit der Wenner zu Werke ging, inzwischen am eigenen Leib erfahren. Er hatte jeden Einzelnen aufgesucht und erschossen.
    Wenner grinste bei dem Gedanken, dass nichts und niemand auf dieser Welt etwas von seiner Existenz ahnte und er sich unauffällig, aber effizient seiner neuen Tätigkeit, die sich kaum von seiner alten unterschied, widmen konnte.
    Sein blasses, schmales Gesicht wurde von einer dunklen Sonnenbrille verdeckt, für die es zu dieser frühe Morgenstunde keinen Grund gab. Die Maskierung hätte er sich sparen können. Alles an ihm war Durchschnitt. Er war so unauffällig, dass er fast schon unsichtbar war. Niemand beachtete ihn.
    Wenner beobachtete, wie Mark Keller in die nächste Querstraße abbog. Er setzte den Blinker und folgte ihm langsam. Bald war er direkt hinter seinem Opfer und hatte ausgezeichnete Sicht nach vorn, so dass er jede Richtungsänderung rechtzeitig erkennen würde, aber er glaubte nicht, dass Keller von seiner üblichen Route abweichen würde. Er nahm jeden Tag dieselbe Strecke. Wenner lächelte verächtlich. Keller war ein Idiot. Ihn zu beschatten, war ein Kinderspiel. Fast schon langweilig. Wenn alles klappte, war dies der letzte Tag, an dem er diesem Trottel auf Schritt und Tritt folgen musste. Dann konnte er endlich das versprochene Geld kassieren und ein paar Tage Urlaub in Prag machen. Urlaub mit jeder Menge frischem Bier und frischen Nutten.
    Das schmale Funkgerät auf dem Beifahrersitz meldete sich mit einem Knacken. Kurz darauf erklang eine elektronisch verzerrte Stimme, die fragte: „Wo ist er jetzt?“
    Wenner gab Kellers Position durch. Ein weiteres Knacken beendete die Verbindung. Noch fünf Minuten und Mark Keller würde diese Welt für immer verlassen.
     
    In einer Seitenstraße, nur zwei Kilometer von Mark Keller und Kurt Wenner entfernt, parkte ein unauffälliger Lieferwagen. An vielen Stellen des Fahrzeugs blätterte der dunkelgrüne Lack ab, und nur ein
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