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Die Legende der Wächter 3: Die Rettung

Die Legende der Wächter 3: Die Rettung

Titel: Die Legende der Wächter 3: Die Rettung
Autoren: Kathryn Lasky
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des Nachthimmels stumpf, das Licht der Sterne matt. Daran vermochte auch der Komet nichts zu ändern, der den Himmel entzweizuschneiden schien.
    Der Ast unter Sorens Füßen schwankte. Jemand sagte: „Ein Komet gilt manchen als Omen oder Schicksalszeichen. Es heißt, er kündigt einschneidende Ereignisse an.“
    „Oktavia!“, rief Soren aus. Die dicke alte Schlange glitt neben ihn. „Was machen Sie denn hier draußen?“, fragte Soren verwundert.
    „Dasselbe wie du. Ich halte nach Ezylryb Ausschau“, erwiderte Oktavia seufzend.
    Wie alle Nesthälterinnen, die sich um die Höhlen der Eulen kümmerten und das Ungeziefer daraus fernhielten, hatte Oktavia anstelle der Augen nur zwei mit Haut überzogene Vertiefungen. Die blinden Nesthälterinnen besaßen jedoch außergewöhnlich feine Sinne. Sie hörten und spürten vieles, was anderen Lebewesen entging. Oktavia hätte Ezylrybs Flügelschläge sofort erkannt. Zwar flogen die meisten Eulen vollkommen lautlos, doch jede Eule erzeugte mit ihren Flügeln besondere Luftschwingungen, die nur eine Nesthälterin zu unterscheiden vermochte. Gerade die musikalische Oktavia, ein langjähriges Mitglied der Harfengilde, hatte ein sehr empfindliches Gehör für Schwingungen aller Art.
    Die Harfengilde war eine der angesehensten Gilden der Nesthälterinnen. Auch die ehemalige Nesthälterin von Sorens Eltern, die fürsorgliche Mr s Plithiver, die Soren nach seiner Flucht aus dem Sankt Äggie auf wundersame Weise wiedergetroffen hatte, war wie Oktavia Mitglied der Harfengilde. Die Schlangen wanden sich geschickt durch die Saiten der Harfe und begleiteten Madame Plonks Gesang. Sie war eine prächtige Schnee-Eule mit einer wunderschönen Stimme.
    Oktavia arbeitete sowohl für Madame Plonk als auch für Ezylryb als Nesthälterin. Sie war vor vielen Jahren mit Ezylryb aus den Nordlanden gekommen und lebte seither im Großen Ga’Hoole-Baum. Oktavia war dem Kreischeulerich treu ergeben. Sie hatte nie viel darüber erzählt, wie sie Ezylryb kennengelernt hatte. Man munkelte aber, dass er ihr einst das Leben gerettet hatte, und dass sie, anders als die übrigen Nesthälterinnen, nicht schon blind aus dem Ei geschlüpft war. Auffällig war auch, dass sie nicht wie die anderen Schlangen rosafarbene Schuppen besaß, sondern türkisblaue. Jetzt seufzte sie wieder schwer.
    „Das verstehe ich nicht“, sagte Soren. „Ezylryb ist doch viel zu erfahren, um sich zu verfliegen.“
    Oktavia schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass er sich verflogen hat.“
    Soren drehte sich nach ihr um. Was denn dann? Glaubte die Nesthälterin etwa, dass Ezylryb tot war? Oktavia war in letzter Zeit ziemlich schweigsam und stellte keinerlei Vermutungen über das Schicksal ihres geliebten Herrn an. Barran und Boron dagegen, das Königspaar der Eulen vom Großen Ga’Hoole-Baum, und auch Strix Struma, eine altgediente Lehrerin, taten die ganze Zeit nichts anderes. Nur Oktavia, die Ezylryb am besten und längsten kannte, sagte nichts dazu, und doch spürte Soren, dass sie etwas wusste, etwas, was sie ängstigte, etwas so Schreckliches, dass sie es nicht auszusprechen wagte und sich lieber in Schweigen hüllte. Das verriet Soren sein Muskelmagen, jenes Organ, in dem sich bei Eulen die stärksten Gefühle abspielen.
    Soren hätte sich gern mit jemandem darüber unterhalten, aber mit wem? Mit Otulissa? Ausgeschlossen. Mit Morgengrau? Nein, der würde gleich etwas unternehmen wollen. Der Bartkauz war eine Eule der Tat. Mit seiner besten Freundin Gylfie? Aber auch die Elfenkäuzin war zu praktisch veranlagt, um sich bloßen Vermutungen hinzugeben. Außerdem war sie wortklauberisch und hätte bestimmt gefragt: „Was meinst du damit, dass Oktavia etwas ,weiß‘?“
    „Flieg lieber in deine Schlafhöhle, Kleiner“, sagte Oktavia nun. „Es ist Schlafenszeit. Ich spüre, dass die Sonne aufgeht und die Dämmerung vertreibt.“
    „Spüren Sie auch den Kometen?“
    „Ac h …“ Es war weniger eine Antwort als ein leises Ächzen. „Ich weiß nich t …“
    Soren war sich sicher, dass die Schlange den Kometen gespürt hatte und beunruhigt war. Er ärgerte sich, dass er überhaupt gefragt hatte, trotzdem konnte er sich die nächste Frage nicht verkneifen: „Und glauben Sie auch, dass ein Komet ein Omen ist, ein Schicksalszeichen, wie manche sagen?“
    „Wer ist ,manche‘?“, entgegnete die Schlange in scharfem Ton. „Ich habe niemanden im Baum über irgendwelche Omen reden hören.“
    „Sie haben doch vorhin
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