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Die Kugel und das Opium

Die Kugel und das Opium

Titel: Die Kugel und das Opium
Autoren: Liao Yiwu
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irrsinnigem Tempo unterwegs war, erfasst und schwer verletzt, aber ihm konnte in einer Notaufnahme das Leben gerettet werden.
    45
    XXX ,
will Namen nicht preisgeben, männlich, Alter zum Zeitpunkt der Verwundung 18  Jahre, Facharbeiter aus Beijing
    In den frühen Morgenstunden des 4 . Juni 1989 an unbekanntem Ort von einer Kugel am Bein getroffen, eine Verletzung, die lange nicht abheilte. Einzelheiten nicht bekannt.
    46
    XXX ,
will Namen und Alter nicht preisgeben, männlich, aus Tianjin
    In den frühen Morgenstunden des 4 . Juni 1989 an unbekanntem Ort von einer Kugel getroffen, ein Bein wurde ihm gebrochen, Einzelheiten nicht bekannt.
    47
    XXX ,
will den Namen nicht preisgeben, männlich, Alter zum Zeitpunkt der Verwundung 15  Jahre, Mittelschüler aus Beijing
    In den frühen Morgenstunden des 4 . Juni 1989 an unbekanntem Ort von einer Kugel ins Bein getroffen, konnte lange nicht geheilt werden, Einzelheiten nicht bekannt.
    48
    XXX ,
will den Namen nicht preisgeben, männlich, 21  Jahre, Arbeiter aus Beijing
    In den frühen Morgenstunden des 4 . Juni 1989 geriet er auf der Straße südlich der Tribünen am Tiananmen in das Blutbad, rannte mit allen anderen um sein Leben, wurde von einer verirrten Kugel getroffen, die von hinten in das rechte Schulterblatt ein- und vorne an der rechten Schulter wieder austrat, was zu einem offenen Splitterbruch führte. Er wurde wenig später in einem Großraumbus in der Mitte des Platzes behandelt, in dem Bus befanden sich etwa vierzig weitere Verwundete, manche waren bereits tot, andere waren kurz davor, sie alle waren in der Umgebung des Platzes angeschossen worden.
    Der Fahrer fuhr den Bus Richtung Osten, aber geriet immer wieder in heftiges Feuer, woraufhin er mit einer Hand das Steuerrad festhielt und mit der anderen mit einem weißen Hemd winkte und dabei schrie: »Das ist ein Verwundetentransport, bitte nicht schießen!«
    Der komplett durchsiebte Rettungswagen erreichte schließlich das Xiehe-Krankenhaus. Ein Großteil der Verwundeten war bereits tot, der Mann, um den es hier geht, überlebte jedoch wie durch ein Wunder. Er blieb über einen Monat im Krankenhaus, wurde mehrmals operiert, die Wunde heilte, und er sah das Tageslicht wieder.
    49
    XXX ,
will den Namen nicht preisgeben, männlich, Alter zum Zeitpunkt der Verwundung 30  Jahre, Arbeiter
    In den frühen Morgenstunden des 4 . Juni 1989 geriet er auf der Höhe von Kentucky Fried Chicken am Qianmen in das Blutbad, wurde getroffen und hat im linken Bein mehrere Einschusslöcher zurückbehalten.

Ding Zilin und Jiang Peikun
Zum Hintergrund der Namenslisten
    Diese beiden Namenslisten, die 202 Todesopfer und 49 Verwundete des Massakers vom 4 . Juni verzeichnen, sind das Resultat einer hartnäckigen, 22  Jahre anhaltenden Recherche, sie sind getränkt vom Blut, den Tränen und den Qualen unserer Leidensgenossen. Bereits am zehnten Jahrestag des 4 . Juni schrieb Ding Zilin in einem Artikel: »Seit zehn Jahren krieche ich in den Leichenbergen der Todesopfer herum und schwimme in den Tränen ihrer Angehörigen. Das hat mir den Atem genommen, in den Tagen und Nächten, in denen ich vor Schmerz am liebsten tot gewesen wäre, habe ich schließlich verstanden, was das ist: der Tod.« Und das ist nicht nur Ding Zilins persönliches Gefühl, es ist ein Gefühl, das alle, die bei dieser Recherche mitgearbeitet haben, teilen.
    »Totenlisten«, das ist eine heilige und zugleich eine schwere Aufgabe, das bezieht sich auf Leben und Tod eines Menschen und hat auch mit historischer Zeugenschaft zu tun – deshalb darf man sich nicht die geringste Nachlässigkeit und nicht den geringsten Fehler erlauben. Im Jahr 1996 , wie wir uns erinnern am siebten Jahrestag der Gräueltaten, hieß es bereits in einer Erklärung unserer Gemeinschaft: Bis heute haben wir an die 200 Todesopfer des 4 . Juni ausfindig gemacht. Aber in den folgenden Monaten und Jahren ist diese Zahl nicht nur nicht mehr angewachsen, sie hat sogar abgenommen. Heute, 22  Jahre später, stehen auf der von uns erstellten Opferliste 202 Namen. Das hat seinen Grund in der Tatsache, dass die Personen, die uns damals Hinweise auf Todesopfer lieferten, sich nicht auf Augenzeugenberichte stützen und auch sonst keine entsprechend notwendigen Beweise beibringen konnten. Solche Meldungen über Todesopfer haben wir mit aller Macht zu verifizieren versucht, aber solange wir keine zuverlässigen Beweise hatten, mussten wir skeptisch bleiben. In der Tat haben viele Namen
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