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Die Koenigin der Schattenstadt

Die Koenigin der Schattenstadt

Titel: Die Koenigin der Schattenstadt
Autoren: Christoph Marzi
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versteckt hatte, und ließ es zu sich kommen. Tränen standen in ihren Augen, und als sie Sarita anschaute, da wusste Catalina, dass dies der Preis war, den Sarita zahlen musste. Nuria streckte die Hand aus und der Skorpion, der klein und flink war, stach zu.
    Die alte Frau zuckte zusammen.
    Catalina konnte sich nicht rühren.
    Sarita saß im Sand und weinte. Nuria Niebla starb am Ende doch noch von der Hand ihrer Tochter. Sie hatte es gewusst.
    Und der Preis, den Nuria zahlte?
    Während ihr das Gift des kleinen Skorpions durch die Adern rann, musste sie mit ansehen, wie ein Sandgeist ihrer Tochter von hinten in den Hals biss und Sarita mit einem Keuchen in sich zusammensank.
    Mutter und Tochter.
    Scherbensplitter, die sich erkannt und gefunden hatten, fast schon zu spät.
    Und Catalina, die das ganze Ausmaß der Zerstörung sah, ahnte, was die beiden vereint hatte. All das, was in den Jahren zuvor geschehen war, musste einen Sinn ergeben haben für die beiden Frauen, auf einmal. Sie hatten sich gefunden und sie hatten einander geopfert in ihrer Sorge um die jüngste Kartenmacherin.
    Catalina lief durch den Sand zu ihrer Mutter, nahm sie in die Arme, stützte sie.
    Die Bilder, die sie bestürmten, waren die Bilder ihrer Kindheit. Der helle Strand in der Cala Silencio, die ruhigen Momente, in denen Sarita ihr Geschichten erzählt und sie im Arm gehalten hatte, die verliebten Blicke, die Sarita ihrem Mann zugeworfen hatte, wenn er zur See hinausgefahren war.
    Catalina strich ihrer Mutter das Haar aus dem Gesicht.
    »Es ist vorbei«, sagte Sarita und lächelte. »Wir haben sie zerstört. Sie werden nicht länger Unheil anrichten können.«
    »Warum hast du das getan?«, fragte Catalina und wusste, dass sie viel mehr damit meinte als nur das, was gerade geschehen war.
    Sarita Soleado berührte die Wunde in ihrem Nacken. »Kassandra und La Sombría – sie durften dir kein Leid zufügen«, sagte Sarita mit letzter Kraft. Erst jetzt erkannte Catalina, dass sie ein Stück Pergament in ihrer Hand festhielt. »Verzeih mir«, bat sie Catalina und dann schenkte sie ihr das Pergament, das hektisch zusammengefaltet worden war.
    Einige Minuten vergingen, in denen Catalina nur still dasaß. Das Gift des Sandgeistes färbte die Adern unter der Haut ihrer Mutter ganz goldfarben. Das Zittern ließ langsam nach.
    Dann schloss Sarita die Augen, genauso wie Nuria, nur wenige Meter von ihr entfernt.
    Und Catalina spürte, wie ihre Tränen einen Weg in die Augen fanden. Sie kniete neben dem Körper ihrer Mutter, die friedlich zu schlafen schien, und hielt ihn fest. Sie sah ihre Großmutter, die sie kaum gekannt hatte.
    Eine Rabenfeder schwebte heran, schwarz und munter, und legte sich auf die bleiche Stirn Sarita Soleados.
    Catalina schaute auf.
    Erschrak.
    Plötzlich stoben Rabenfedern überall aus den Flammen, die aus der gestrandeten Galeone schlugen. Das Wrack explodierte in Rabenfedern, und bevor Catalina überhaupt verstanden hatte, was hier passierte, erhob sich Malfuria schon wieder in den Himmel und ein wildes Heulen ließ dem Mädchen das Blut in den Adern gefrieren.
    »Du hast wirklich geglaubt, dass sie mich getötet haben?« Kassandra Karfax stand hinter dem Mädchen und lachte leise. »Du hast geglaubt, dass sie Malfuria zerstört haben?« Sie legte Catalina eine dürre Hand auf die Schulter. »Niemand«, zischte sie, »niemand kann Malfuria zerstören. Es ist das Herz der Kartenmacherinnen.«
    Erschrocken fragte sich Catalina, was sie damit meinte. Sie drehte sich um zur Reisenden, die sagte: »Du verstehst noch immer nicht?«
    Catalina spürte, wie trocken ihr Mund war.
    »Agata la Gataza«, sagte die Reisende, »sie war diejenige, die euch erschaffen hat.« Ihre abgebrochenen Zähne waren wie spitze Drohungen. »Ja, mein Kind, du und deinesgleichen, ihr seid die Kinder von Malfuria. Die Magie der Katzenhexe hat all die Kartenmacherinnen nur gezeugt, um La Sombría und mich zu vernichten. Ihr ganzes Leben hat sie damit verbracht, dies zu erreichen. Und jetzt? Sie ist eine von uns. Und du bist die letzte Kartenmacherin, die übrig geblieben ist.« Der Schatten La Sombrías kam unter dem Wrack der Galeone hervorgeglitten und gesellte sich zu Kassandra. »Du, Catalina Soleado, bist die Mephistia«, sagte er. »Du allein kannst zeichnen, was wir verlangen. Deine Mutter war schwach und deine Großmutter war nicht annähernd so mächtig, wie du es bist. Wir brauchten sie nicht länger.«
    Eine Reihe von Rabenfedernwirbeln
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