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Die kleine Hexe

Die kleine Hexe

Titel: Die kleine Hexe
Autoren: Otfried Preußler
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das?"
    „Möglich", versetzte Abraxas. „Ich fürchte nur, dass du es bitter bereuen wirst, wenn du der Wetterhexe Rumpumpel was Böses antust ..."
    „Wie das?", rief die kleine Hexe verwundert.
    „Weil du der Oberhexe versprochen hast, eine gute Hexe zu werden. Und gute Hexen dürfen nichts Böses anrichten, meine ich, Lass dir das mal durch den Kopf gehen!"
    Unsicher blickte die kleine Hexe den Raben an. „Ist das dein Ernst?"
    „Allerdings", betonte Abraxas. „Ich würde an deiner Stelle darüber nachdenken."

Führen Sie Besen?
    Was tut eine kleine Hexe, die wund gelaufene Füße hat? Sie braut eine Salbe aus Kröteneiern und Mäusedreck, rührt eine Handvoll gemahlene Fledermauszähne darunter und lässt sie am offenen Feuer gar kochen. Wenn sie die wunden Stellen mit dieser Salbe bestreicht und dabei einen Spruch aus dem Hexenbuch murmelt, heilen die Füße in wenigen Augenblicken.
    „So, das hätten wir nun!", sagte die kleine Hexe erleichtert, als Salbe und Hexenspruch ihre Wirkung getan hatten.
    „Brauchst du jetzt nicht mehr zu humpeln?", fragte Abraxas.
    „Sieh selbst!", rief die kleine Hexe und tanzte auf bloßen Füßen durchs Hexenhaus. Danach zog sie Schuhe und Strümpfe an.
    „Willst du ausgehen?", staunte der Rabe.
    „Ja, du kannst mitkommen", sagte die kleine Hexe. „Ich gehe ins Dorf."
    „Das ist weit", mahnte Abraxas. „Vergiss nicht: Du hast keinen Besen mehr, du musst laufen!"
    „Das ist es ja eben! Ich möchte nicht länger zu Fuß gehen müssen. Und weil ich nicht länger zu Fuß gehen möchte, muss ich ins Dorf gehen."
    „Willst du dich über mich lustig machen?"
    „Wieso denn? Ich will, wenn du nichts dagegen hast, einen Besen kaufen."
    „Das ist etwas anderes", sagte Abraxas, „dann komme ich selbstverständlich mit. Sonst könnte es sein, dass du wieder so lange ausbleibst!"
    Der Weg zum Dorf führte quer durch den Wald, über Wurzelknorren und Felstrümmer, niedergebrochene Bäume und Hänge voll Brombeergestrüpp. Dem Raben Abraxas machte das wenig aus. Er saß auf der Schulter der kleinen Hexe und brauchte nur achtzugeben, dass ihm nicht unversehens ein Ast an den Kopf schlug. Aber die kleine Hexe stolperte immer wieder über die Wurzeln und blieb mit dem Rockzipfel an den Zweigen hängen.
    „Ein elender Weg!", rief sie ein ums andere Mal. „Es tröstet mich nur, dass ich bald wieder reiten kann."
    Sie kamen ins Dorf und betraten den Laden des Krämers Balduin Pfefferkorn. Herr Pfefferkorn dachte sich weiter nichts, als die kleine Hexe mit ihrem Raben zur Tür hereinkam. Er hatte noch nie eine Hexe gesehen. Deshalb hielt er sie für ein ganz gewöhnliches altes Mütterchen aus einem der Nachbardörfer.
    Er grüßte; sie grüßte zurück. Dann fragte Herr Pfefferkorn freundlich: „Was darf es denn sein?"
    Als Erstes kaufte die kleine Hexe ein Viertelpfund Kandiszucker. Dann hielt sie die Tüte dem Raben unter den Schnabel. „Bitte, bedien dich!"
    „Danke schön!", krächzte Abraxas.
    Herr Pfefferkorn staunte nicht schlecht. „Das ist aber ein gelehriger Vogel!", sagte er anerkennend, bevor er fortfuhr: „Was wünschen Sie außerdem?"
    „Führen Sie Besen?", fragte die kleine Hexe.
    „Gewiss doch!", sagte Herr Pfefferkorn. „Handbesen, Küchenbesen und Reisigbesen. Und auch Schrubber natürlich. Und wenn Sie vielleicht einen Staubwedel brauchen ..."

    „Nein danke, ich will einen Reisigbesen."
    „Mit Stiel oder ohne?"
    „Mit Stiel", verlangte die kleine Hexe. „Der Stiel ist das Wichtigste. Aber er darf nicht zu kurz sein."
    „Wie wäre dann dieser hier?", meinte Herr Pfefferkorn diensteifrig. „Besen mit längeren Stielen sind im Augenblick leider ausgegangen."
    „Ich glaube, er reicht mir", sagte die kleine Hexe, „ich nehme ihn."
    „Darf ich den Besen ein wenig zusammenschnüren?", fragte Herr Pfefferkorn. „Wenn ich ihn etwas zusammenschnüre, trägt er sich besser ..."
    „Sehr aufmerksam", sagte die kleine Hexe, „aber das braucht's nicht."
    „Ganz wie Sie wünschen." Herr Pfefferkorn zählte das Geld nach und brachte die kleine Hexe zur Tür.
    „Habe die Ehre, auf Wiedersehen, gehorsamster ..."
    „Diener", wollte er noch hinzufügen. Aber da blieb ihm die Luft weg.
    Er sah, wie die Kundin den Besenstiel zwischen die Beine klemmte. Sie murmelte etwas, und huiii!, flog der Besen mit ihr und dem Raben davon.

    Herr Pfefferkorn traute seinen Augen nicht.
    Gott behüte mich!, dachte er. Geht das mit rechten Dingen zu - oder träume ich?

Gute
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