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Die kleine Hexe

Die kleine Hexe

Titel: Die kleine Hexe
Autoren: Otfried Preußler
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nun wieder einmal mit dem Raben Abraxas im Wald herumstreifte, traf sie drei alte Frauen. Die drei trugen Buckelkörbe und blickten zu Boden, als suchten sie etwas.
    „Was sucht ihr denn?", fragte die kleine Hexe.
    Da sagte die eine: „Wir suchen nach trockener Rinde und abgebrochenen Ästen."
    „Aber wir haben kein Glück damit", seufzte die zweite. „Der Wald ist wie ausgefegt."
    „Sucht ihr schon lange?", fragte die kleine Hexe. „Seit heute Morgen schon", sagte die dritte Frau. „Wir suchen und suchen, aber wir haben zusammen noch nicht einmal einen halben Korb voll. Wie soll

    das nur werden, wenn wir im nächsten Winter so wenig zu heizen haben?"
    Die kleine Hexe warf einen Blick in die Buckelkörbe. Es lagen nur ein paar dürre Reiser darin, sonst nichts.
    „Wenn das alles ist", sagte sie zu den Frauen, „dann kann ich verstehen, warum ihr so lange Gesichter macht. Woran liegt es denn, dass ihr nichts findet?"
    „Am Wind liegt's."
    „Am Wind?!", rief die kleine Hexe. „Wie kann das am Wind liegen?"
    „Weil er nicht wehen will", sagte die erste Frau.
    „Wenn nämlich kein Wind weht, fällt nichts von den Bäumen herunter."
    „Und wenn keine Äste und Zweige herunterfallen - was sollen wir dann in die Körbe tun?"
    „Ach, so ist das!", sagte die kleine Hexe.
    Die Holzsammlerinnen nickten; und eine von ihnen meinte: „Was gäbe ich drum, wenn ich hexen könnte! Dann wäre uns gleich geholfen! Ich würde uns einen Wind hexen, Aber ich kann es nicht."
    „Nein", sprach die kleine Hexe, „du kannst das freilich nicht."
    Die drei Frauen beschlossen nun heimzugehen, Sie sagten: „Es hat keinen Zweck, dass wir weitersuchen. Wir finden ja doch nichts, solange kein Wind weht, - Auf Wiedersehen!"
    „Auf Wiedersehen!", sagte die kleine Hexe und wartete, bis sich die drei ein paar Schritte entfernt hatten.
    „Könnte man denen nicht helfen?", fragte Abraxas leise.
    Da lachte die kleine Hexe. „Ich bin schon dabei. Aber halt dich fest, sonst verweht es dich!"
    Wind machen war für die kleine Hexe ein Kinderspiel, Ein Pfiff durch die Zähne und augenblicklich erhob sich ein Wirbelwind, Aber was für einer! Er fuhr durch die Wipfel und rüttelte an den Stämmen. Von allen Bäumen riss er die dürren Reiser ab. Rin-denstücke und dicke Äste prasselten auf den Boden.
    Die Holzsammlerinnen kreischten und zogen erschrocken die Köpfe ein. Mit beiden Händen hielten sie ihre Röcke fest. Es fehlte nicht viel und der Wirbelwind hätte sie umgeblasen, So weit aber ließ es die kleine Hexe nicht kommen. „Genug!", rief sie. „Aufhören!"
    Der Wind gehorchte aufs Wort und verstummte. Die Frauen blickten sich ängstlich um. Da sahen sie, dass der Wald voller Knüppel und abgerissener Zweige lag. „Welch ein Glück!", riefen alle drei. „So viel Klaubholz auf einmal! Das reicht ja für viele Wochen!"
    Sie rafften zusammen, was sie gerade erwischen konnten, und stopften es in die Buckelkörbe. Dann zogen sie freudestrahlend nach Hause. Die kleine Hexe sah ihnen schmunzelnd nach. Auch der Rabe Abraxas war ausnahmsweise einmalzufrieden. Er pickte ihr auf die Schulter und sagte: „Nicht schlecht für den Anfang! Mir scheint, du hast wirklich das Zeug dazu, eine gute Hexe zu werden."

Vorwärts, mein Söhnchen!
    Die kleine Hexe sorgte von jetzt an dafür, dass die Holzsammlerinnen nie mehr mit leeren Körben nach Hause zu gehen brauchten, Nun waren sie allezeit guter Dinge und wenn sie der kleinen Hexe begegneten, machten sie frohe Gesichter und sagten: „In diesem Jahr ist das Holzklauben eine wahre Freude! Da lohnt es sich, in den Wald zu gehen!"
    Wie staunte die kleine Hexe daher, als die drei eines Tages verheult und mit leeren Buckelkörben des Weges kamen, Sie hatte doch gestern Abend erst einen Wind gehext und an Reisern und Rinde konnte kein Mangel sein.
    „Denk dir, was geschehen ist!", schluchzten die Frauen. „Der neue Revierförster hat uns das Klaubholzsammeln verboten! Die vollen Körbe hat er uns ausgeschüttet - und nächstes Mal will er uns einsperren lassen!"
    „Der hat es ja gut vor!", sagte die kleine Hexe, „Wie kommt er dazu?"
    „Weil er böse ist!", riefen die drei. „Der alte Revierförster hatte ja auch nichts dagegen. Nur dieser neue! Du kannst dir nicht vorstellen, wie er getobt hat! Nun ist es für alle Zeiten vorbei mit dem billigen Brennholz."
    Die Frauen heulten von Neuem los, Die kleine Hexe sprach ihnen Mut zu. „Der neue Revierförster", sagte sie, „wird es sich
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