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Die Jangada

Die Jangada

Titel: Die Jangada
Autoren: Jules Verne
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Reisender ernstlichen Gefahren ausgesetzt, wenn ihn ein Guariba in dieser Lage, also vertheidigungslos überrascht.
    Dieser Affe, der in Brasilien auch den Namen »Barbado« führt, war von großer Gestalt. Die Geschmeidigkeit und Kraft seiner Gliedmaßen machten ihn zu einem sehr starken Thiere, ebenso geschickt, auf dem Erdboden zu kämpfen, wie von Ast zu Ast in die Gipfel der Waldriesen zu klettern und zu springen.
    Der Guariba näherte sich vorsichtig und mit kleinen Schritten. Er sah nach rechts und links umher und wedelte dazu mit dem Schweife. Den Mitgliedern dieser Affenfamilie hat die Natur nicht allein vier Hände gegeben – wodurch sie sich eben als Vierhänder von den zweihändigen Menschen unterscheiden – sie hat sich sogar noch freigebiger bewiesen, indem sie jene eigentlich mit fünf ausstattete, da die Spitze ihres Schwanzes vollkommen zum Greifen und Festhalten geeignet ist.
    Der Affe schlich also geräuschlos heran, wobei er einen tüchtigen Knüppel schwang, der in seiner kräftigen Faust zur gefährlichen Waffe werden konnte. Seit einigen Minuten mußte er den am Fuße des Baumes liegenden Menschen gewiß schon gesehen haben, die Unbeweglichkeit des schlafenden Mannes schien ihn aber zu veranlassen, denselben noch mehr aus der Nähe zu betrachten. Er kam also zögernd weiter heran und blieb endlich drei Schritte vor Jenem stehen.
    Sein bärtiges Gesicht verzog sich zur Fratze, wobei die scharfen, elfenbeinweißen Zähne sichtbar wurden, und der Knüppel flog in einer, für den Waldkapitän keineswegs glückverheißenden Weise durch die Luft.
    Torres’ Aussehen weckte in dem Guariba offenbar keine besonders wohlwollenden Gedanken. Ob er etwa besondere Gründe hatte, dem Vertreter des Menschengeschlechtes, welchen ihm der Zufall, außer Stand sich zu vertheidigen, in die Hand lieferte, zu grollen? Vielleicht! Man weiß ja, wie genau sich manche Thiere an erlittene Unbill erinnern, und es war ja leicht möglich, daß dieser schon mit Waldläufern üble Erfahrungen gemacht hatte.
    Vorzüglich bei den Indianern steht der Affe als Jagdwild in hohem Werthe, und sie verfolgen ihn, welcher Familie er auch angehört, mit wahrhaftem Nimrodseifer, nicht allein aus Vergnügen an der Jagd, sondern vor Allem, um ihn zu verspeisen.
    Wenn der Guariba jetzt auch nicht geneigt schien, die Rollen zu tauschen, und nicht so weit ging, zu vergessen, daß die Natur ihn zum einfachen Pflanzenfresser gebildet hat, er also den Waldkapitän nicht wohl aufzehren konnte, so zeigte er doch offenbar nicht übel Lust, den, welchen er als natürlichen Feind erkannte, wenigstens zu vernichten.
    Nachdem er jenen kurze Zeit betrachtet hatte, begann er den Baum zu umkreisen. Er ging nur langsam, hielt den Athem an, näherte sich jenem aber mehr und mehr. Seine Haltung war drohend, sein Gesicht wüthend. Den stillliegenden Mann mit einem Schlage zu tödten, wäre ihm gewiß ein Leichtes gewesen, und allem Anscheine nach hing Torres’ Leben jetzt nur an einem Faden.
    Wirklich stellte sich der Guariba noch einmal dicht neben den Baum und so an die Seite, daß er den Kopf des Schlummernden treffen konnte, und hob schon den Stock zum Schlage.
    Wenn Torres aber eine Unvorsichtigkeit begangen hatte, das Etui, welches jenes Document und seine Baarschaft enthielt, neben sich in einer hohlen Wurzel zu verbergen, so rettete ihm dieser Umstand jetzt doch das Leben.
    Ein Sonnenstrahl, der durch die Zweige drang, traf auch das Etui, dessen polirte Metallfläche dabei gleich einem Spiegel erglänzte. Der Affe wurde bei der, seiner Race eigenthümlichen Neugier aufmerksam. Seine Gedanken – wenn man bei einem Thiere von Gedanken sprechen darf – nahmen eine andere Richtung an. Er bückte sich, ergriff das Etui und wich einige Schritte zurück, während er jenes bis zur Höhe seiner Augen emporhob und nicht ohne Verwunderung bemerkte, wie dasselbe spiegelte. Vielleicht frappirte es ihn noch mehr, als er die in dem Etui enthaltenen Goldstücke klirren hörte. Dieses Geräusch entzückte ihn. Es sah aus, als ob ein Kind mit einer Klapper spielte. Dann führte er es zum Munde und seine Zähne erglänzten in dem Metall, ohne daß er es jedoch anzubeißen versuchte.
    Offenbar glaubte der Guariba eine neue Frucht gefunden zu haben, vielleicht eine riesige, glänzende Mandel, mit frei in der Schale beweglichem Kerne. Mochte er diesen Irrthum auch bald einsehen, so veranlaßte ihn das doch nicht, das Etui wegzuwerfen. Im Gegentheil faßte er es noch
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