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Die Himmelsleiter (German Edition)

Die Himmelsleiter (German Edition)

Titel: Die Himmelsleiter (German Edition)
Autoren: Marco Lalli
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nid, was i da soll. I bi doch gsund, odär?! Die Medikamente nahm er jedoch, ohne zu murren.
    "Herr Geßler", er sprach wie mit einem uneinsichtigen Kind, "solange Sie mit Ihren Milliarden um sich schmeißen, Milliarden, die Sie gar nicht haben, sollten Sie lieber hierbleiben und Ihre Tabletten nehmen."
    Letztes Jahr hatte Geßler der Stadt Genf 24 Milliarden Schweizer Franken vermacht. Der Stadtkämmerer hatte sich freundlich bedankt, auf die schwierige Haushaltslage hingewiesen und angefragt, ob die erste Rate von einer Milliarde nicht sofort überwiesen werden könne.
    "I han aber e Huuffe Gäld!" Geßler schien einen Augenblick nachzudenken. "Ir chönned s haa, jederzyt. Ir bruuchet numme zu minere Schwöschter z'gaa. Di hebt's für mi uuf!"
    Tatsächlich hatte er ihm erst gestern 1,2 Millionen Franken geschenkt und ein Luxusrestaurant in bester Seelage obendrein. Nämmed's, Herr Doktor. I bruuch's ja gäng nid , hatte er traurig gesagt. Göjet eifach hi un säged, Ir chämt vo mir. S gejt scho in Ordnig .
     
    Moulin wartete. Wieder zurück saß er im Halbdunkel hinter dem riesigen Schreibtisch, der wie ein Findling vom nahen Berg in sein Büro gekullert schien. Seine kleine, fast zierliche Gestalt versank im rotbraunen Leder des gewaltigen Drehsessels. Die Lehne überragte seinen Kopf wie den eines Kindes. Langsam ließ er sich von rechts nach links schwingen, von links nach rechts und dann wieder zurück. Wie ein Pendel durchmaß er die Zeit. Erst als die Nachtschicht ihre unauffällige Arbeit aufgenommen hatte und die Geräusche des Hauses nach und nach verebbt waren, erst als niemand mehr mit seiner Anwesenheit gerechnet hätte, nahm er die Diskette aus dem Umschlag. Sie war unbeschriftet, nur eine große schwarze Eins prangte darauf.
    Irgendwann auf seinem Rundgang hatte er sich im Zimmer des Deutschen wiedergefunden. Etwas hatte ihn mit geheimnisvoller Macht zum Domizil dieses Mannes gezogen, der einige Jahre zuvor wie der unauffällige Dauergast einer Pension Aufnahme gefunden hatte. In der Hektik des Vormittags als Moulin noch unter dem Eindruck des frischen Selbstmords durch das vollgestellte Apartment gehastet war, hatte etwas seine Aufmerksamkeit gestreift, ohne bis in sein Bewusstsein vorzudringen.
    Es war nicht die Welle selbst gewesen, eine die halbe Wand hinter dem Bett einnehmende Reproduktion der berühmtesten aller Wellen, der Hokusai-Welle, die den unterschwelligen, fast hypnotischen Zwang ausgelöst hatte, zurückzukehren und sie wie ein andächtiger Museumsbesucher anzustarren. Es war ein kleines, mit Klebeband angebrachtes Stück Papier gewesen, erkannte er jetzt, das mitten im Bild wie ein e Wolke weißen Rauchs dem Vulkankrater entquoll. Ein Satz, sauber mit einer runden, schnörkellosen fast weiblichen Schrift aufgetragen, machte sie zu einer Sprechblase. Und während der überirdische Brecher sich wie ein Raubtier über die kärglichen Boote der Fischer wölbte, um sie, wie es schien, im nächsten Augenblick mit einem einzigen Prankenhieb zu zermalmen, sprach Fuji, der heilige Berg: Fürchtet Euch nicht, denn der Berg wacht.
    So wenig die halbvolle Wanne und die alles überragende Welle gemein hatten, so wenig konnte Moulin die geheimnisvolle, vielleicht nur vordergründige Verbindung beiseiteschieben, die das Wasser beständig zwischen diesen ungleichen Gebilden schuf.
    Dann hatte er den Brief gefunden. Gleich neben dem verlassenen Portable lag der gelbe Umschlag, auf dem der Deutsche ein schwungvolles Moulin gekritzelt hatte und der einen Stoß Aufzeichnungen enthielt: fotokopierte Blätter, Skizzen, Pläne vielleicht, und mehrere Disketten.
    Ein Zeitungsausschnitt fiel zu Boden. Moulin hob ihn auf. Die Neue Weltwoche berichtete von einem kürzlich verabschiedeten europäischen Programm zur Förderung der Fusionsforschung. Im Gegensatz zu den anderen Unterlagen, die verblichen und gelblich waren, schien der Ausriss neueren Datums zu sein. Er schob alles in den Umschlag zurück. Nur die Disketten lagen noch vor ihm auf dem Tisch.
    Der Doktor zögerte, atmete mit gerunzelter Stirn tief ein, hielt für einen Moment die Luft an, als müsste er eine schwere Entscheidung fällen, und schob dann schnaubend die dünne Hülle der Nummer Eins in den Schlitz des Laufwerks. Für eine lange Sekunde machte er sich darauf gefasst, in das müde Gesicht des Deutschen zu blicken, ganz so, als könne ein einfaches Handauflegen ihn wieder zum Leben erwecken, und war fast enttäuscht, als sich der
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